Bei Nobodyisperfekt werden nicht nur Senioren und Menschen mit Behinderungen fündig. Die Chefin realisiert bereits die nächste Geschäftsidee.

Hamburg. Von außen könnte das kleine Geschäft am Überseeboulevard in der HafenCity glatt für einen Geschenkartikelladen gehalten werden. Oder als Geschäft gelten, in dem es einfallsreiche, kuriose Haushaltsgegenstände gibt. "Es gibt auch Leute, die stellen sich vor unser Schaufenster und sagen ,Ach, wieder so ein Laden, den die Welt nicht braucht'", sagt Nicole Stephanie und lächelt milde. "Aber das sind eben die, die das Konzept nicht verstanden haben." Das sei aber auch gar nicht so einfach, gibt die Inhaberin von Nobodyisperfekt zu. Deshalb hat sie dem Namen ihres Geschäfts auch den Zusatz "Dinge, die das Leben einfacher machen" gegeben. Nämlich genau das machen elegante elektrische Korkenzieher, Mülleimer mit Bewegungsmelder und Nussknacker, die mit einer Hand bedient werden können. Aber auch Telefone mit übergroßen Tasten, Rollatoren und Eincremehilfen gehören dazu - Dinge, die offensichtlich für Senioren oder Menschen mit Behinderungen gedacht sind.

Sanitätshausartikel kombiniert mit nützlichen Alltagsgegenständen, die auch für Menschen mit einem Handicap leicht zu bedienen sind: So lässt sich das Konzept von Nobodyisperfekt in einem Satz beschreiben. "Bei uns in Deutschland sind Hilfsmittel für Menschen mit Einschränkungen immer noch ein Tabuthema. Bei vielen ist noch immer nicht angekommen, dass so was auch hübsch aussehen kann", sagt Stephani. Die Inhaberin des Geschäfts glaubt, dass nur einem von zehn Kunden beim Stöbern durch ihren Laden bewusst ist, welche Idee hinter alldem steht. Meist ist es die Laufkundschaft der bisher noch recht unbekannten Fußgängerzone am Überseequartier, die zufällig den Laden entdeckt, durch die Regale schlendert und Dinge ausprobiert. Besonders in der Vorweihnachtszeit werden viele Touristen in dem kleinen Laden fündig und kaufen dort Geschenke für die Großeltern ein - oder für alle anderen, die es praktisch, funktionell und schick haben wollen.

Vor sieben Jahren eröffnete die Hamburgerin ihren ersten Laden im Stadtteil Uhlenhorst, erkannte die Notwendigkeit, eine attraktivere Alternative zu den alteingesessenen Sanitätshäusern zu schaffen. Vor eineinhalb Jahre zog Nobodyisperfekt in die HafenCity um, Nicole Stephani eröffnete als Pionierin das erste Geschäft am Überseeboulevard. Seitdem hat sich ihr Umsatz verdoppelt. "Auf der Uhlenhorst hatte ich lediglich meine Stammkundschaft. In der HafenCity kommt nun noch die wechselnde Kundschaft hinzu, die an diesem Standort stark vertreten ist. Das hat natürlich viel Potenzial", sagt Stephani. Das Konzept ihres Geschäfts hat sie aber aufgrund des Umzugs nicht verändert. "Ich wurde bereits darauf angesprochen, ob das Konzept sich nicht für Franchiseunternehmen anbieten würde", sagt die gelernte Fotografin. "Zunächst will ich mich auf den Standort hier am Überseequartier konzentrieren." Generell schließt die Unternehmerin die Eröffnung weiterer Filialen in Hamburg aber nicht aus.

Besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel werden seniorengerechte Alltagsgegenstände immer wichtiger. Angst, dass jemand ihre Idee klauen könnte, hat die Unternehmerin nicht. Schließlich sei sie seit acht Jahren dabei, und bisher gäbe es noch keine Nachahmer in Deutschland. "Außerdem ist diese Branche ein sehr mühseliges Geschäft, denn man muss sich als Händler regelrecht auf die Suche machen nach der Ware, die ins Sortiment passt", sagt Stephani. "Und dieses Netzwerk aufzubauen, das braucht schon sehr viel Zeit."

Rund 4500 verschiedene Produkte führt die 44 Jahre alte Hamburgerin in ihrem Sortiment. Ihre Ware bezieht sie von rund 300 verschiedenen Händlern - längst nicht alle sind in Deutschland ansässig. "Im Ausland ist man in diesem Bereich schon wesentlich offener und innovativer als hier", sagt Stephani. Der Hightech-Rollator in knalligem Orange und mit extra-leichtem Rahmen, der sich im Handumdrehen in einen Rollstuhl verwandeln kann, stammt beispielsweise aus den Niederlanden. Auch aus Behindertenwerkstätten werden viele Artikel bezogen. Rund 20 Prozent der geführten Produkte sind Gegenstände, die für Menschen mit Behinderungen gemacht sind, etwa 50 Prozent sind lediglich nutzwertig und wurden deshalb ins Sortiment aufgenommen. "Und der Rest sind Dinge, die einfach schön sind und Spaß machen", sagt die Inhaberin.

Einer der derzeitigen Verkaufsschlager ist der Schnarchstopper, der wahrscheinlich in die letzte Kategorie eingeordnet werden kann. An einem Stock befindet sich ein kleiner, weicher Boxhandschuh, mit dem der Schlafende bestenfalls sanft auf sein Schnarchen aufmerksam gemacht werden kann. Auf den ersten Blick wirken auch die Becher, an dem statt eines Henkels ein Ring mit Glitzerstein befestigt ist, wie nette Dekoartikel. Beim Ausprobieren stellt man jedoch fest, dass er dank des Rings wesentlich besser festzuhalten ist als normale Trinkbehälter. "Auch der altbekannte Pizzaschneider passt bestens in unser Regal", sagt Nicole Stephani. Genau wie Kerzen, die mithilfe kleiner LED-Lämpchen täuschend echtes Kerzenlicht imitieren. "Die habe ich auch bei mir zu Hause stehen", sagt Stephani. "Aber besonders gut geeignet sind sie für Menschen mit Alzheimer, die vergessen würden, normale Kerzen auszupusten."

Und genau diese Mischung ist es, die Menschen mit Behinderungen die Scheu vor dem Kauf von Sanitätshausartikeln nimmt. "Natürlich kann man bei mir auch erhöhte Toilettensitze bekommen, Duschhilfen oder Schnabeltassen", sagt Stephani. "Aber die werden bewusst nicht mitten in den Verkaufsraum gestellt, sondern dezent im Hintergrund verkauft."

Manchmal kommen auch Kunden in das kleine Geschäft, ohne zu wissen was sie genau suchen. Eher erwarten sie von der Expertin eine kompetente Beratung und kommen dann mit einem Problem, das sie und ihr sechsköpfiges Team lösen sollen. "Eigentlich klappt das auch immer", sagt Stephani. "Wenn ich meinen Kunden nicht sofort weiterhelfen kann, finde ich dennoch irgendwie eine Lösung des Problems, man braucht nur die richtigen Ideen." Davon hat die umtriebige Unternehmerin genug. Gerade erst im Sommer hat sie in direkter Nachbarschaft die Hafen-Spezerei eröffnet - ein Spezialitätengeschäft, in dem es Brände, Essig und Öl zu kaufen gibt. Sie alle stammen aus kleinen Manufakturen und Brennereien - keine Massenware, sondern ausgewählte Produkte. Dass man mit den besonderen, unentdeckten Produkten Erfolg haben kann, weiß sie ja bereits.