Der frühere Vereins-und-Westbank-Chef zeigt Verständnis für Kritik an der Finanzbranche und fordert Steuersenkungen zur Stützung der Konjunktur.

Hamburg. Anfang Januar wird Udo Bandow, früherer Chef der Vereins- und Westbank und Ex-Aufsichtsratsvorsitzender des HSV, 80 Jahre alt. Und noch immer beschäftigt er sich intensiv mit aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft - dabei nutzt er die Freiheit von jeglichen Verpflichtungen aus operativen Führungsfunktionen auch zu kritischen Äußerungen über seine frühere Branche.

"Manche Banken haben sich bei dem Versuch, den angelsächsischen Konkurrenten nachzueifern, zu weit von den Kunden entfernt", sagt Bandow. "Mindestens 95 Prozent dieser Kunden erwirtschaften keine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent. Und mit den normalen Aufgaben einer Bank, die darin bestehen, ihren Kunden bei der Abwicklung ihrer Geschäfte zu helfen, ist sie auch nicht zu erzielen."

Insofern sei ein großer Teil der Kritik der "Occupy Wall Street"-Bewegung an der Branche nachvollziehbar, so Bandow, der dem Aufsichtsrat des Hamburger Vermögensverwalters Aramea vorsitzt und mehreren weiteren Aufsichtsgremien sowie den Vorständen von drei Stiftungen (darunter die Uwe-Seeler-Stiftung) angehört.

Auch wenn er nach eigenem Bekunden immer ein Optimist war, gibt es nach seiner Einschätzung im Hinblick auf die Konjunktur derzeit Anlass zur Sorge: "Die Staatsschuldenkrise in Europa wird dazu führen, dass die deutschen Exporte nicht auf ihrem hohen Niveau bleiben und die Konsumstimmung der Verbraucher leidet."

Vor diesem Hintergrund sollten nach seiner Auffassung die Steuern gesenkt werden, um die Wirtschaft zu stützen. Das Argument, eine solche Maßnahme könne die Verschuldung des Bundes noch weiter hochtreiben, sticht für ihn nicht: "Während der Regierungszeit von Gerhard Schröder (SPD) ist der Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt worden. Das hat nicht nur dazu beigetragen, dass Deutschland die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit von allen Industrienationen am schnellsten und besten überwunden hat. Die Einkommensteuereinnahmen des Bundes sind sogar von knapp zehn Milliarden Euro im Jahr 2005 auf gut 31 Milliarden Euro im Jahr 2010 gestiegen."

Aber die Besteuerung ist für Bandow nicht zuletzt "eine ethisch-moralische Frage". So solle der Staat gerade den Mittelstand "nicht nur als zu melkende Kuh" betrachten: "Diese Menschen haben viel Zeit und Mühe in ihre Ausbildung investiert und sie haben nicht selten eine 60-Stunden-Woche." Der Spitzensteuersatz solle nicht bereits bei einem Bruttojahresgehalt von 55 000 Euro erhoben werden, fordert Bandow. Dafür könne man die Abschlagssteuer auf Kapitalerträge von heute 25 Prozent auf 30 Prozent heraufsetzen. Schließlich stehe der staatlichen Gesamtverschuldung Deutschlands von zwei Billionen Euro ein Geldvermögen der privaten Haushalte von fünf Billionen Euro gegenüber: "Aus diesem Grund mache ich mir über unsere Schulden keine allzu großen Sorgen."

Eine Vergemeinschaftung der Staatsfinanzierung in Europa etwa in Form gemeinsamer Anleihen lehnt Bandow allerdings strikt ab: "Jeder sollte erst einmal vor seiner eigenen Haustür kehren."

Trotz der gegenwärtigen Probleme ist der frühere Top-Banker ein "großer Anhänger des Euro". Nur mit der Gemeinschaftswährung könne Europa auf internationaler Ebene bestehen. Und eine Rückkehr zu einer eigenen Währung kommt für Deutschland nach Einschätzung von Bandow schon wegen der absehbar extrem exportschädigenden Stärke einer neuen D-Mark nicht infrage: "Wenn ein Auto von VW im Ausland das Doppelte kostet, wird es dort nicht mehr gekauft."

Bandows persönliche Prognose für den Fortbestand der Währungsunion verrät dennoch wieder den Optimisten: "Ich bin fest davon überzeugt, dass der Euro die Krise überstehen wird." Der vor allem wegen seiner gut zehn Jahre an der Spitze des HSV-Aufsichtsrats prominente Hamburger, der noch heute mit den "Super-Senioren" des Vereins kickt und außerdem Tennis spielt, vergleicht die Zusammensetzung der Euro-Zone mit einer Mannschaftsaufstellung: "Unter 17 Ländern haben wir nur eine echte Fehlbesetzung - das ist keine schlechte Quote."