Jeder zehnte Beschäftigte im Norden ist nach einer Studie nur auf Abruf im Betrieb. IG Metall verlangt feste Übernahme nach sechs Monaten.

Hamburg. Leiharbeit nutzen Unternehmen heute längst nicht mehr nur, um Spitzen in der Produktion abzufedern. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die IG Metall Küste in Auftrag gegeben hat. "Jeder zehnte Arbeitnehmer in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie ist ein Leiharbeiter", sagte Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der Gewerkschaft, gestern in Hamburg. Die Beschäftigten bleiben laut Studie teilweise bis zu zehn Jahre in einem Betrieb, ohne in die Stammbelegschaft übernommen zu werden. 65 Prozent der Leiharbeiter sind dabei Fachleute, die fest integriert sind. Für die Umfrage wurden Betriebsräte von 279 Unternehmen im Bezirk Küste befragt. 99 Firmen antworteten.

Die IG Metall leitet aus diesen repräsentativen Zahlen jetzt Forderungen ab: "Wir müssen die Leiharbeit begrenzen und die Mitbestimmung der Betriebsräte ausbauen", sagte Bezirksleiter Geiken. Künftig sollen die Arbeitnehmervertreter nach sechs Monaten Widerspruch gegen eine Verlängerung der Leiharbeit einlegen können und somit dafür sorgen, dass den Betroffenen Stammarbeitsplätze angeboten werden müssen. "Wir beziehen diese Forderung in die im kommenden Frühjahr beginnende Tarifrunde ein", sagte Geiken. Schon jetzt beschäftigen laut der Umfrage mehr als 60 Prozent der Firmen in der Branche Zeitarbeiter länger als sechs Monate.

+++ Leiharbeit als Chance +++

Große Arbeitgeber in diesem Bereich sind in Hamburg Airbus, der Maschinenbauer Körber und die Lufthansa Technik, auch wenn sie traditionsgemäß zum Bereich der Gewerkschaft Ver.di zählt. Liegt bei Airbus in Hamburg die Zahl der Leiharbeiter mit 2700 von 12.100 über zehn Prozent, sind es beim Bergedorfer Zigarettenmaschinenhersteller Hauni 85 von 1500. Bei der Lufthansa kommen 700 Zeitarbeiter auf eine Stammbelegschat von 7100. "Durch eine Betriebsvereinbarung, nach der die Zeitarbeit nach 30 Monaten nur bei der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verlängert werden darf, wurden in diesem Jahr mehr als 200 Zeitarbeiter fest eingestellt. Bis Ende 2013 werden es 300 sein," sagte Lufthansa-Technik-Sprecher Thomas Erich. Bei der Körber-Tochter Hauni und bei der Lufthansa richtet sich die Bezahlung nach den Tarifen der Zeitarbeitsfirmen. "Unsere Zeitarbeiter sind dabei in die jährliche Erfolgsbeteiligung einbezogen", sagte Körber-Sprecherin Bettina Lichtenberg. Bei Airbus erhalten hingegen Zeitarbeiter ab dem vierten Monat die gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft. "Nach unserer Studie bezahlen 75 Prozent der Firmen ihre Leihkräfte schlechter als die Festangestellten. Die Differenz beträgt bis zu 30 Prozent", sagte Mathias Winter, der Autor der Gewerkschaftsstudie.

+++ IG-Metall-Chef will für bessere Zukunft der Jugend kämpfen +++

"Mit ihrer Forderung, die Leiharbeit zu begrenzen, ignoriert die IG Metall die Fakten", reagierte gestern Thomas Klischan, der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Nordmetall, auf die Erhebung. Zeitarbeit sei ein Sprungbrett in einen festen Job. "66 Prozent der neu eingestellten Zeitarbeiter waren zuvor arbeitslos, bei den Akademikern und Technikern werden bis zu 60 Prozent der Beschäftigten von den Betrieben übernommen." Die Mitbestimmung der Betriebsräte sei gesetzlich ausreichend geregelt, ist Verbandssprecher Peter Haas sicher. "Alles Weitere lässt sich über individuelle Betriebsvereinbarungen aushandeln."

Darauf jedoch will sich die IG Metall nicht einlassen. Mehr noch: Geplant ist, bei den kommenden Tarifverhandlungen auch eine Beschäftigungsgarantie für die Auszubildenden in der Elektro- und Metallbranche durchzusetzen. Die Lehrlinge sollen künftig unbefristet statt wie bisher vereinbart für ein Jahr übernommen werden.

Auch bei der Übernahmeforderung halten die Arbeitgeber dagegen. "Schon heute werden 75 Prozent der Auszubildenden freiwillig eingestellt. Eine Übernahmegarantie würde in die Planungshoheit der Betriebe eingreifen", sagte Verbandssprecher Haas. Sollte die Forderung durchgesetzt werden, würden große Betriebe nicht mehr über Bedarf ausbilden und in der Probezeit stärker auswählen. "Das würde die Chancen schwächerer Lehrlinge verschlechtern."

Eine konkrete Lohnforderung wollte IG-Metall-Bezirksleiter Geiken gestern nicht nennen. Über sie soll die Tarifkommission am 23. Februar entscheiden. "Wir wissen noch nicht, wie sich die Konjunktur in Europa und China entwickelt", so der IG-Metall-Bezirksleiter. Er sei aber zuversichtlich, dass es "genug Spielraum für eine vernünftige Erhöhung" geben werde.