Bei Torrefaktum arbeiten behinderte und nicht behinderte Beschäftigte gemeinsam. Fünf Mitarbeiter beschäftigt die kleine Kaffeerösterei.

Hamburg. Der bolivianische Arabica braucht noch etwa eine Minute. Immer wieder holt Roland Barsch eine Probe aus dem mächtigen, silberfarbenen Röster und prüft die Bohnen in seiner kleinen Schaufel. Dunkelbraun sollen sie sein, aber nicht schwarz. Ein letzter Blick, dann lässt der 51-Jährige die Bohnen in einen großen Auffangbehälter prasseln. Dampf hüllt den schlanken Mann ein, und der Duft von frischem Kaffee erfüllt den Raum. Es ist Rösttag bei Torrefaktum in Ottensen.

Auf den ersten Blick ist die kleine Firma an der Bahrenfelder Straße eine ganz gewöhnliche Kaffeerösterei. Gäste schlürfen auf Hockern aus Jutesäcken ihren Latte macchiato oder Cappuccino. In groben Kisten lagern Espressospezialitäten mit kuriosen Namen wie "Das Kleine Verwöhn" oder "Das Kleine Erlebnis". Die Einrichtung ist modern und rustikal zugleich. Doch Torrefaktum ist auch ein Integrationsprojekt. Hier arbeiten behinderte und nicht behinderte Mitarbeiter gemeinsam. Träger ist die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) aus Nürnberg, die sich auf die Rehabilitation von Menschen mit Handicaps spezialisiert hat. Neben der Rösterei betreibt das Unternehmen mit bundesweit 2000 Mitarbeitern auch noch eine integrative Reinigungsfirma in der Hansestadt. 2010 kam die Gruppe auf einen Umsatz von 110 Millionen Euro.

Roland Barsch spricht nicht gern über seine Behinderung. "Ich fühle mich nicht beeinträchtigt", sagt er. Nur wer genau hinschaut, erkennt, dass der schlanke Mann sein rechtes Bein ein wenig nachzieht. "Alles Holz", sagt er lapidar und klopft gegen den rechten Oberschenkel. 19 Jahre alt war der einstige Ringer und Leistungssportler, als ein Motorradunfall sein Leben komplett veränderte. Im Krankenhaus gab es Komplikationen, sein Bein musste amputiert werden. In Ost-Berlin war das, danach schlug sich der Familienvater unter anderem mit Jobs bei der U-Bahn durch.

Nach der Wende kam Barsch nach Hamburg und arbeitete in einem Kaffeeveredelungswerk in Billbrook. Als die Firma jedoch vor einigen Jahren schloss, stand Barsch auf der Straße, danach reparierte er Kaffeeautomaten. "Auf diesem Weg habe ich von der Stelle bei Torrefaktum erfahren. Das war ein echter Glücksfall für mich", sagt er.

Fünf Mitarbeiter hat die kleine Kaffeerösterei insgesamt. "Wir beschäftigten hier Menschen, die aufgrund ihrer Handicaps schwer auf dem normalen Arbeitsmarkt Fuß fassen können", sagt die Koordinatorin des Projekts, Wiebke Visser. Dabei handele es sich um Mitarbeiter mit körperlichen oder auch psychischen Beeinträchtigungen. "Wir müssen natürlich darauf Rücksicht nehmen, dass unsere Beschäftigten nicht ganz so belastbar sind wie andere Arbeitnehmer." Generell würden aber die gleichen Arbeitszeiten wie in anderen Betrieben gelten.

Eine gehörlose Beschäftigte wird in der Rösterei beispielsweise als Servicekraft am Tresen eingesetzt. "Das funktioniert ganz reibungslos", erzählt Yildiz-Meriyam Cordsen, die als einzige nicht behinderte Mitarbeiterin bei Torrefaktum angestellt ist. "Die Kunden zeigen am Tresen einfach auf den Kaffee, den sie bestellen möchten." Und bei Besprechungen kommuniziere man schriftlich oder per Zeichensprache.

Aus Sicht der Projektleitung hat sich Torrefaktum rund zwei Jahre nach der Gründung gut am Markt etabliert. "Das Projekt trägt sich zwar noch nicht selbst, aber wir bekommen Zuschüsse vom Hamburger Integrationsamt", sagt Visser. Langfristig solle die Firma auch selbstständig Gewinne erwirtschaften. Die Rösterei verkauft den Kaffee nicht nur im eigenen Laden, sondern auch über das Internet. Büros, Hotels und andere Großkunden ordern die Spezialitäten aus Ottensen.

Wie viel die Mitarbeiter bei Torrefaktum verdienen, will die Geschäftsleitung nicht verraten. "Es reicht, um damit über die Runden zu kommen", sagt Roland Barsch. Der Familienvater würde gern weiter in der Rösterei arbeiten. "Von mir aus bleibe ich bis zur Rente", sagt er. "Wechseln musste ich in meinem Leben schon oft genug."