Der US-Konzern hat kürzlich 260 Airbus-Jets bestellt

Dallas/Fort Worth. Die verlustreiche US-Fluggesellschaft American Airlines versucht mit einem radikalen Schnitt den Neustart. Um hohe Kosten und überbordende Schulden abzuschütteln, flüchtet sich der Mutterkonzern AMR mitsamt Tochtergesellschaften in den so genannten Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts. Damit kann American Airlines zunächst wie gewohnt weiterarbeiten, ist aber vor dem Zugriff seiner Geldgeber sicher.

"Das war eine schwierige Entscheidung", sagte der neue Konzernchef Thomas Horton. "Es ist aber notwendig und richtig, dass wir diesen Weg gehen." Horton hat per sofort den Veteranen Gerard Arpey abgelöst, der in den Ruhestand geht. Der neue Mann an der Spitze versicherte, dass der Flugbetrieb wie geplant weiterlaufe. Schon seit Längerem gab es Gerüchte über eine bevorstehende Pleite der drittgrößten US-Fluggesellschaft. Sie plagen hohe Verluste. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres war ein Minus von unterm Strich von 884 Millionen Dollar (663 Millionen Euro) angefallen.

Viele der gut 900 Maschinen von American Airlines und der für Regionalstrecken zuständigen Schwesterfirma American Eagle sind alt, sie verbrauchen viel Sprit und benötigen intensive Wartung. So fliegt American Airlines noch die längst eingestellten Boeing MD-80, die im Schnitt 20 Jahre auf dem Buckel haben und 35 Prozent mehr Sprit als moderne Jets verbrauchen.

Der Gesellschaft gelang es nicht, die gestiegenen Treibstoffkosten komplett auf die Ticketpreise aufzuschlagen. Um Kosten einzusparen, schlossen sich etwa die Rivalen United und Continental zur neuen Nummer eins der Branche zusammen. Das hat den Druck auf American Airlines noch verstärkt.

Noch ist unklar, welche langfristigen Auswirkungen die Insolvenz haben wird. American Airlines ist Teil des Luftfahrtbündnisses Oneworld, dem die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin 2012 beitreten will. Zudem hatte American Airlines erst vor einigen Monaten einen gigantischen Auftrag für 460 neue Flugzeuge im Gesamtwert (laut Listenpreisen) von umgerechnet 28 Milliarden Euro an Airbus und Boeing vergeben, darunter sind 260 Maschinen der A320-Familie des europäischen Herstellers. Sie sollen von 2013 an ausgeliefert werden. Um die Riesenbestellung stemmen zu können, mussten Boeing und Airbus dem Kunden jedoch mit einer Finanzierung unter die Arme greifen. Damit seien die ersten 230 Maschinen komplett abgedeckt, teilte American Airlines damals mit. Airbus wollte sich gestern auf Abendblatt-Anfrage nicht zu der Insolvenz äußern.

Zumindest vorerst sollen die Geschäftspartner aber ihr Geld pünktlich bekommen. American Airlines hat dafür 4,1 Milliarden Dollar auf der hohen Kante liegen. Das reiche vermutlich mehr als aus, um durch die Insolvenz zu steuern, teilte das Management mit.

American Airlines ist nicht die erste US-Fluggesellschaft, die wiedergeboren aus einer Insolvenz hervorgeht. So flog der Rivale Delta Air Lines fast zwei Jahre bis 2007 unter Gläubigerschutz. Diese Zeit nutzte das Management zu Massenentlassungen und zur Streichung von unrentablen Strecken. Heute steht Delta wieder solide da und ist die Nummer zwei unter den US-Linien.

Das Verfahren nach Kapitel elf unterscheidet sich deutlich vom deutschen Insolvenzrecht. So gibt es keinen Insolvenzverwalter. Vielmehr behält meist das bisherige Management die Kontrolle über das Tagesgeschäft. Für die betroffene Firma bietet das US-Verfahren sogar Vorteile: So können Gläubiger, mit denen man sich zuvor nicht auf einen Forderungsverzicht einigen konnte, vom Insolvenzgericht dazu gezwungen werden.

Da AMR im Gegensatz zu den Rivalen noch nicht unter Gläubigerschutz war, war es dem Konzern auch nicht möglich, etwa die Personalkosten so weit zu drücken wie die Wettbewerber. So ist American Airlines die einzige große US-Linie, die noch Geld in den Pensionsfonds abführen muss.