Energieklassen von A bis G müssen laut einer EU-Verordnung bei Fernsehern angegeben werden. Die Hersteller haben viel Spielraum.

Hamburg. Mit Informationstafeln ist der große Loewe-Fernseher im Saturn-Markt in der Mönckebergstraße gut ausgestattet. Neben dem Preisschild mit den technischen Daten des Gerätes gibt es noch drei weitere Tafeln mit Zusatzinformationen. Doch wo ist das Energie-Label? "Kommt noch", sagt der Verkäufer. "Ist erst ab nächstem Jahr Pflicht." Fast richtig.

Schon ab morgen müssen wegen einer EU-Verordnung grundsätzlich alle Fernseher ein Energie-Label tragen - so wie das bei Waschmaschinen oder Kühlschränken schon seit Jahren selbstverständlich ist. Das sechs mal zwölf Zentimeter große Etikett zeigt die Energieklasse, die Leistungsaufnahme in Watt und den Energieverbrauch im Jahr. Für den Jahresverbrauch wird ein täglicher Fernsehkonsum von vier Stunden unterstellt. Den Rest des Tages verharrt das Gerät im Bereitschaftsmodus. Die beste Energieeffizienzklasse ist A, die schlechteste G.

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Während bei Karstadt in der Mönckebergstraße fast schon alle Fernseher mit dem neuen Label ausgestattet sind, muss der Kunde im Saturn-Markt danach suchen. Rund 80 Prozent der Fernseher sind kurz vor dem Stichtag noch ohne Energie-Etikett. An allen Toshiba-Geräten fehlen sie ebenso wie an den meisten Sony-Fernsehern, obwohl Sony nach eigenen Angaben die Geräte seit Februar mit Label ausliefert.

Doch die neue Verordnung lässt Händlern und Herstellern viel Spielraum. Streng genommen müssen nur die Geräte mit dem Label versehen werden, die ab 30. November in den Handel kommen. "Geräte, die sich bereits im Bestand befinden, können unbegrenzt ausgestellt und verkauft werden", sagt eine Sprecherin der Unternehmensgruppe Media-Saturn. Es sei nicht vorgeschrieben, diese Geräte umzuetikettieren. "Ob das geschieht, entscheiden unsere Märkte dezentral vor Ort", sagt die Unternehmenssprecherin.

Auch die Hersteller haben Spielraum, wenn es um den Energieverbrauch der Fernseher geht. "Das ist wie beim Auto, das meist mehr verbraucht, als der Hersteller verspricht", sagt Irmela Benz vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Denn gemessen wird der Stromverbrauch im Auslieferungsmodus, eine Einstellung, die der Hersteller selbst festlegen kann. "Vorgegeben ist lediglich, dass in diesem Modus mindestens 65 Prozent der Maximalhelligkeit des Gerätes erreicht werden muss", sagt Peter Knaak von der Stiftung Warentest. Der Auslieferungsmodus ist der Zustand an Helligkeit, Kontrast und Farbsättigung, den das Gerät nach dem erstmaligen Einschalten erreicht.

"Die schönen, hellen, satten Fernsehbilder in den Elektronikmärkten können mit dem Auslieferungsmodus nicht erreicht werden", sagt Benz. "Für das optimale Bild muss die Helligkeit noch erhöht werden", sagt Knaak. Dann steige der Stromverbrauch - im Einzelfall um bis zu 50 Prozent. "Es kann sein, dass ein gutes Label von der Trickserei mit der maximalen Helligkeit profitiert", urteilt der Warentester.

Knaak belegt das an einem Gerät von Sony mit einer Bildschirmdiagonale von 117 Zentimetern. Im Auslieferungszustand bekommt das Gerät ein knappes "Gut" bei der Bildqualität. "Doch mit optimierten Einstellungen reicht es für ein glattes 'Gut'", sagt Knaak. "Dafür stieg aber in unserem Prüflabor der Stromverbrauch von 61 auf 95 Watt." Für ein Gerät dieser Größe sei das zwar immer noch ein ausgezeichneter Wert. Doch damit wäre der Sony-Fernseher statt in Effizienzklasse A in Klasse B gelandet. Auch im Internet gibt es zahlreiche Hilfestellungen für Kunden. So kann man unter anderem auf der Seite www.bund.net/tv-finder nach energiesparsamen Geräten suchen. Auch eine Top-Ten-Liste energieeffizienter Fernseher lässt sich dort ausdrucken.

"Bei den Messungen zum Stromverbrauch halten wir uns strikt an die Vorgaben der Europäischen Kommission", sagt Silke Bernhardt, Pressesprecherin von Sony Deutschland. Gemessen werde der Stromverbrauch im Auslieferungszustand. Der konkrete Stromverbrauch hänge dann von der Umgebung des Kunden und seinen Präferenzen bei der Bildeinstellung ab. Die Kritik der Stiftung Warentest nimmt der Hersteller nicht hin. "Eine allgemeingültige Definition von optimalen Bildeinstellungen gibt es nicht", sagt Bernhardt. "Wenn man dazu die Ergebnisse von drei verschiedenen Fachzeitschriften vergleicht, dann finden Sie drei völlig unterschiedliche Einstellungen zum optimalen Bild." Dennoch ermögliche das Energie-Label den Kunden einen guten Vergleich. Denn nach Einschätzung des Fachverbandes Bitkom variiert der Energieverbrauch bei gleicher Bildschirmgröße und ähnlicher Ausstattung je nach Hersteller um bis zu 50 Prozent.

Während Leistungsaufnahme und Jahresverbrauch im Label absolute Größen sind, wird bei der Energieeffizienzklasse die Größe des Bildschirms und die Ausstattung berücksichtigt, damit kleine und große Geräte vergleichbar werden. So darf ein Fernseher mit A-Label knapp 1,3 Watt pro Quadratzentimeter Bildschirmfläche plus einen Basiswert von exakt sechs Watt verbrauchen. Ein noch höherer Wert ist möglich, wenn das Gerät auch über Festplattenrekorder oder einen zusätzliche Receiver verfügt. Denn sonst würden Geräte ohne Zusatzausstattung am besten abschneiden.

Die neuesten LCD-Fernseher sind längst keine Stromfresser mehr. Zwar nimmt der Energieverbrauch mit der Größe des jeweiligen Bildschirmes zu, aber selbst große energiesparende Geräte kosten nur 30 oder 40 Euro im Jahr. Von 2008 bis 2010 ist die Leistungsaufnahme der Modelle um 20 Prozent gesunken. "Gemessen am technischen Fortschritt sind die Kriterien des Labels zu schwach", sagt BUND-Expertin Benz. "Es wird kaum Geräte geben, die in die unteren Effizienzklassen E bis G fallen, dafür sehr viele mit Klasse A oder B." Andere Modelle sind mit A+ schon besser, als das Label erlaubt. Erst bis zum Jahr 2020 soll die Skala schrittweise bis zur Stufe A+++ erweitert werden. Auch die Größe des Labels sieht Benz als Manko. Es ist nur ein Viertel so groß wie das Schwesteretikett an den Haushaltsgeräten. Benz: "Häufig wird es dazu noch hinter dem Preisschild versteckt."