Eine Hamburger Manufaktur fertigt handgeschneiderte Kopien der Textilien an. Geschäftsführer Andreas Ramm setzt auf die Marktlücke

Hamburg. Das blaue Hemd ist ein schwieriger Fall. Der Kragen ist zerschlissen, die Farbe herausgewaschen und ein Ärmel baumelt nur noch lose am Oberteil. Auf den ersten Blick lässt sich erkennen, dass das gute Stück so lange von seinem Besitzer getragen wurde, bis es buchstäblich in seine Einzelteile zerfiel. Der Mann muss sein Hemd wirklich geliebt haben.

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"In diesem Fall ist es ziemlich kompliziert, das Schnittmuster zu erkennen und es exakt nachzuschneidern", sagt Juliette Schulz, 28, und blickt ein wenig besorgt auf das blaue Bündel Stoff auf ihrem Arbeitstisch. Genau das aber ist die Aufgabe der dunkelhaarigen Modedesignerin in der kleinen Textilmanufaktur Lieblingshemd an der Hamburger Außenalster. Seit gut einem Dreivierteljahr hat sich das Unternehmen darauf spezialisiert, exakte Kopien von Herrenhemden herzustellen.

"Für die meisten Männer ist es ein Graus, neue Hemden anprobieren zu müssen", sagt der Geschäftsführer von Lieblingshemd, Andreas Ramm. "Sie sind froh, wenn sie endlich ein passendes Modell gefunden haben, und wollen es dann immer wieder kaufen." Doch dies sei in vielen Fällen schwieriger als gedacht, denn große Modelabels änderten ständig ihre Kollektionen und passten sie dem jeweiligen Trend an.

"Ich habe selbst lange nach einer Firma gesucht, die mir Kopien meiner Lieblingshemden anfertigen könnte", erzählt der 34-Jährige, der früher für die Unternehmensberatung Roland Berger in der ganzen Welt unterwegs war. Doch er blitzte sowohl bei Massenherstellern in Asien als auch bei Maßschneidern in Deutschland ab. "Da ahnte ich, dass ich eine Marktlücke entdeckt hatte."

Alle Modelle werden bei Lieblingshemd in aufwendiger Handarbeit nachgeschneidert. In der weiß getünchten Werkstatt von Juliette Schulz und ihren zwei Kolleginnen wimmelt es von Stoffballen und Garnrollen. Die studierte Modedesignerin misst die eingesandten Hemden an 60 Stellen aus und gibt die Maße in ein Computerprogramm, das daraus ein Schnittmuster erstellt. "Wenn ein Hemd allerdings so ausgeleiert ist wie das blaue Modell, dann müssen wir die Muster selbst noch nacharbeiten", sagt sie. Eine Kollegin setzt sich anschließend an die Nähmaschine und fügt die Teile zusammen.

Lediglich beim Stoff müssen die Kunden zu gewissen Kompromissen bereit sein. "Den exakten Stoff der alten Hemden können wir natürlich nicht verwenden", sagt Schulz. "Daher haben wir eine Reihe von Mustern zusammengestellt, aus denen die Kunden bei ihrer Bestellung im Internet auswählen können." Ihre Stoffe beziehen die Hamburger von der österreichischen Firma Getzner, die auch Textilien für bekannte Namen wie Hugo Boss, Daniel Hechter oder Van Laack liefert.

Ganz billig ist eine Hemdkopie allerdings nicht. 159 Euro kostet die Erstanfertigung, 129 Euro weitere Nachbestellungen des gleichen Modells. "Damit liegen wir preislich zwischen Maßschneidern und hochwertigen Hemden von der Stange", sagt Ramm.

Ganz bewusst hat sich der Betriebswirt für eine Produktion in Deutschland entschieden. "Zum einen ist die Qualitätskontrolle hier einfacher, und es besteht auch nicht die Gefahr, dass die eingeschickten Hemden abhanden kommen", sagt Ramm. Zudem achteten immer mehr Kunden darauf, dass ihre Kleidung zu fairen Bedingungen hierzulande hergestellt werde und nicht zu Billiglöhnen in Asien oder anderen Teilen der Welt. Allerdings sind die Gehälter, die Ramm seinen Hamburger Mitarbeiterinnen zahlt, auch alles andere als üppig. Zwischen 1000 und 1300 Euro monatlich verdienen die Angestellten, die entweder den Abschluss an einer Modeakademie oder eine Lehre als Maßschneiderin in der Tasche haben.

50 Hemden monatlich nähen die Mitarbeiterinnen bislang, im nächsten Jahr sollen es einige Hundert sein. Das reicht nach Auskunft des Chefs, um einen bescheidenen Gewinn mit dem Unternehmen zu erwirtschaften. "Unsere Kunden sind gut verdienende Geschäftsleute oder Anwälte, aber auch Ehefrauen, die ein besonderes Geschenk für ihren Mann suchen", sagt Ramm. Für sie hat der Chef das Geschäftsmodell von Lieblingshemd gerade erweitert. Nun schneidern die Hamburger auch Lieblingsblusen nach. "Denkbar sind auch Hosen oder Pullover", sagt Ramm. "Die Kunden geben uns zahlreiche Anregungen."