Beiersdorf-Chef Thomas B. Quaas spricht im Abendblatt erstmals über seinen bevorstehenden Abgang beim Hamburger Nivea-Hersteller.

Hamburg. Am 5. Oktober überraschte der Hamburger Nivea-Hersteller Beiersdorf seine Beschäftigten und Anteilseigner mit der Nachricht, dass Vorstandschef Thomas-B. Quaas, 59, zum kommenden April aus dem operativen Geschäft ausscheiden wird. Sein Nachfolger wird der 48-jährige Stefan Heidenreich, der bisher den Vorstandsvorsitz beim Schweizer Lebensmittelkonzern Hero innehatte. Gestern legte Quaas, der in den Aufsichtsrat von Beiersdorf wechseln soll, zum letzten Mal Neunmonatszahlen des Unternehmens vor. Und die Zwischenbilanz fiel eher durchwachsen aus.

Beiersdorf leidet noch immer unter dem Konzernumbau und der Straffung seines Sortiments. Vor allem auf dem deutschen Markt macht sich der Ausstieg aus dem unrentablen Make-up-Geschäft bemerkbar. Im Vergleich zum Hautpflegegeschäft mit den bekannten Marken Nivea und Eucerin war die Tochter Tesa erfolgreicher unterwegs. Der Klebstoffspezialist konnte den Umsatz um 8,3 Prozent auf 705 Millionen Euro steigern, der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sank nur um 2,4 Prozent auf 83 Millionen Euro.

Das Abendblatt sprach gestern mit Beiersdorf-Chef Quaas über die Probleme im aktuellen Geschäft, Abschied nehmen und die neue Freiheit eines Menschen, der nicht jeden Tag Fulltime-Manager sein muss.

Hamburger Abendblatt:

Herr Quaas, Sie sind seit 1979 bei Beiersdorf tätig und seit 2005 Vorstandschef. Nach der Hauptversammlung im nächsten Jahr geben Sie Ihr Amt ab. Was sind die Gründe für den überraschenden Abschied?

Thomas B. Quaas:

Richtig überraschend war dieser Zeitpunkt für mich nicht. Wenn man mit 60 Jahren in den letzten Lebensabschnitt einsteigt, muss man einen Generationswechsel in einem Unternehmen so einleiten, dass es für die Firma gut ist. Das zu erreichen, ist in diesem Zusammenhang das Wichtigste für mich. Immerhin habe ich 33 Jahre lang für Beiersdorf gearbeitet.

Aber 60 Jahre sind doch für einen Manager kein Alter, um aufzuhören.

Wir haben in den vergangenen Jahren viele Hausaufgaben gemacht und die neue Strategie "Focus on Skin Care, closer to the Markets" entwickelt. Das bedeutet, dass wir uns auf Hautpflege konzentrieren und näher am Markt sein wollen. Das ist zeitlich gesehen ein Langfristprogramm. Auch deshalb waren der Aufsichtsrat und ich uns einig, dass wir den Generationswechsel jetzt vollziehen. Hinzu kommt: Mein designierter Nachfolger Stefan F. Heidenreich ist der perfekte Kandidat.

Beiersdorf befindet sich inmitten einer Restrukturierung. Der Gewinn 2010 hat sich im Vergleich zu 2008 um 200 Millionen Euro verringert. Was läuft schief?

Eigentlich ist gar nichts schiefgelaufen. Als die Finanzkrise 2009 massiv die Wirtschaft getroffen hat, haben wir die Zeit zu einem strategischen Neuaufschlag genutzt, der auf ein sich weltweit veränderndes Verbraucherverhalten reagiert und den Fokus auf unsere Stärken legt. Deshalb die Konzentration auf Hautpflege. Das ist der Bereich, aus dem wir kommen und in dem Beiersdorf unschlagbar ist.

Sie haben inzwischen zahlreiche Produkte aus dem Markt genommen, weil sie nicht zur neuen Strategie passen. Haben sich schon unzufriedene Kunden bei Ihnen beschwert?

Vor allem in Europa haben wir unser Sortiment bereinigt. Das hat dazu geführt, dass wir 19 Prozent unserer Produkte aus dem Markt genommen haben. Dabei handelte es sich durchweg um sogenannte Langsamdreher, die wenig gekauft wurden. Auch wenn wir dadurch in diesem Jahr Umsatz verloren haben, wollen wir uns in Zukunft nicht mehr in Nebenfeldern verzetteln, sondern uns mit aller Kraft auf die Hautpflege konzentrieren. Das hilft auch unseren Kunden.

Die Umstrukturierung hat tiefe Spuren in Ihrer Neunmonatsbilanz hinterlassen. Der Gewinn ist rückläufig, der Umsatz ist weltweit nur um 1,1 Prozent gestiegen. Ihre Wettbewerber melden bessere Zahlen.

Auf den Gewinn hat sich unter anderem ausgewirkt, dass wir unsere Werbeausgaben wegen des 100. Geburtstags der Marke Nivea massiv ausgeweitet haben. Dennoch liegen wir im Jahr der Neuausrichtung von Beiersdorf voll im Plan. Die ersten neun Monate in diesem Jahr haben auch gezeigt, dass die Verbraucher unsere Kernmarken annehmen. Obwohl wir zahlreiche Produkte aus dem Markt genommen haben, legten wir beim Umsatz zu.

Wie kann Beiersdorf im kommenden Jahr die Wende schaffen?

Nach der Implementierung unserer Strategie mit Schwerpunkt auf die Hautpflege können wir mit dem Ausbau unseres Geschäfts beginnen. Schon allein deshalb werden Umsatz und Ergebnis 2012 höher ausfallen als in diesem Jahr. Allerdings sind wegen der gesamtwirtschaftlichen Lage keine genauen Prognosen möglich. Denn ob und wie sich die Euro-Krise auf unser Geschäft auswirken wird, weiß keiner. Anders als 2009 sind wir aber auf die Krise vorbereitet. Wir stellen uns mit verschiedenen Szenarien auf die Dinge ein.

Als Vorstandschef eines börsennotierten Unternehmens muss man ständig auf Hochtouren laufen. Was tun Sie, um nach Ihrem Abschied bei Beiersdorf nicht in ein tiefes Loch zu fallen?

Ich kann nicht sagen, dass einen das Umsteigen von einem Fulltime-Job in eine nächste Lebensphase völlig kaltlässt. Schließlich bin ich mit Herz und Seele bei Beiersdorf dabei. Ich werde mich sicherlich auf die neue Konstellation einstellen müssen, aber ich werde mich ja nicht völlig von der Bildfläche verabschieden, sondern in den Aufsichtsrat wechseln. So werde ich auch weiterhin meine Erfahrungen einbringen können.

Das kann doch aber kein tagesfüllender Job für einen erst 60 Jahre alten Topmanager sein.

Ich habe massives Know-how in der weltweiten Konsumgüterindustrie. Deshalb sehe ich viele Möglichkeiten, um in Zukunft in diversen Projekten mitzuarbeiten. Doch das werde ich nicht mit Hektik angehen. Ich habe mir auch ein Stück weit vorgenommen, meiner Familie das zurückzugeben, was bisher immer knapp war - nämlich Zeit. Außerdem freue ich mich darauf, die Dinge künftig ruhiger zu planen. Denn ein nicht so voller Terminkalender bedeutet für mich auch ein Stück mehr persönliche Freiheit.