Deutsche lassen sich Konsumlust nicht verderben. Volkswirte setzen auf Verbraucher

Hamburg. Kurz vor dem wichtigen Euro-Sondergipfel heute in Brüssel gibt es überraschende Nachrichten zum Konsumverhalten der Deutschen. In der Schuldenkrise werden die Bundesbürger wieder spendabler. Sie geben ihr Geld lieber für Immobilien oder langlebige Güter wie Möbel oder Fernseher aus, als es bei Banken zu vergleichsweise niedrigen Zinsen anzulegen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hervor. Die Verbraucher seien durch die Schuldenkrise zwar etwas verunsichert, schätzten ihre Finanzlage jedoch besser ein und wollten ihr Geld wieder verstärkt für größere Anschaffungen ausgeben.

Der GfK-Konsumklimaindex für November stieg überraschend um 0,1 auf 5,3 Punkte und kletterte damit erstmals seit März wieder. "Derzeit ist die Beschäftigungslage gut. Die Deutschen haben keine Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und konsumieren kräftig", sagte GfK-Experte Rolf Bürkl dem Abendblatt. Von der Kauflust der Menschen profitiert auch der Hamburger Einzelhandel. So prognostiziert der Handelsverband in der Stadt für das laufende Jahr einen Umsatzanstieg von 1,5 bis 1,8 Prozent und für das kommende Jahr sogar von 2,5 Prozent.

"Früher wurden die Menschen durch Probleme in der Wirtschaft sehr verunsichert", sagte Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer der Fachverbände des Hamburger Einzelhandels, dem Abendblatt. "Heute gibt es dazu eine Gegenbewegung. Die Menschen gönnen sich Dinge, die sie eigentlich nicht unbedingt brauchen. Denn sie sind der Meinung, dass sie an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage nichts ändern können." Den Bürgern gehe es im Allgemeinen gut, faktisch sei die Krise noch nicht bei ihnen angekommen. Besonders stark werden in Hamburg Elektronikartikel wie Fernseher sowie Möbel und Schmuck nachgefragt. "Die Konsumenten achten dabei vor allem auf Qualität", sagte Linnekogel.

Auch auf dem Immobilienmarkt in der Stadt bleibt das Kaufinteresse hoch. "Wir haben eine stabile Nachfrage auf einem sehr hohen Niveau", sagte Philip Bonhoeffer, geschäftsführender Gesellschafter vom Makler Engel & Völkers. Für viele Käufer könnte der Immobilienkauf eine Art Rettungsanker sein, da ihnen das Geld auf der Bank nicht mehr sicher scheine. "Zusätzlich profitieren die Kunden von den niedrigen Zinsen für Finanzierungen", sagte Bonhoeffer.

Volkswirte sehen in der Kauflust eine Stütze für die Konjunktur. "Vor allem die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt trägt den Konsum und hilft der Wirtschaft insgesamt", sagte der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, dem Abendblatt. Die vergleichsweise hohe Sparquote der Deutschen mit 12,6 Prozent des verfügbaren Einkommens werde dadurch allerdings kaum sinken.

Die Menschen, so Bräuninger, würden jetzt Lohnsteigerungen ausgeben und Käufe tätigen, die sie in der Vergangenheit länger aufgeschoben hätten. Der Wissenschaftler ist sogar optimistisch, dass sich der weltweite konjunkturelle Abschwung nicht negativ auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken wird: "Wir gehen von relativ stabilen Arbeitslosenzahlen 2012 aus."