Verbandschef Volker Enkerts spricht im Interview über Fachkräftemangel in Hamburg, eine Abwerbungswelle und den Mindestlohn.

Hamburg. Die Zahl der Zeitarbeiter steigt bundesweit weiter an - aber langsamer. Nach dem Index des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleiter (BAP), der dem Abendblatt vorliegt, gab es im Juli noch ein Plus von drei, im August legte die Zahl um 1,5 Prozent auf gut 909 000 Beschäftigte zu. Während die Zahl der Arbeitsstunden im Juli um 4,2 Prozent stieg, wurden im August vier Prozent weniger Arbeitsstunden geleistet, wie das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für den Verband ermittelte. Ursache für den Rückgang war die Urlaubszeit.

Die größten Zuwächse bei den Beschäftigten gab es im August in Bremen mit 4,9 Prozent, Sachsen (4,8 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (3,5 Prozent). In Hamburg erhöhte sich die Zahl gegenüber Juli um 2,5 Prozent. Im Jahresvergleich liegt die Zahl der Zeitarbeiter aber um knapp 15 Prozent niedriger. Das Abendblatt sprach mit Volker Enkerts, dem Präsidenten des BAP, über die Entwicklung der Zeitarbeit, Gehälter und die meistgesuchten Fachleute.

+++ Airbus will weitere 300 Leiharbeiter übernehmen +++

Hamburger Abendblatt: Die Zahl der Zeitarbeiter sollte in diesem Jahr in Deutschland erstmals die Millionengrenze bei den Beschäftigten übertreffen. Ist dieses Ziel noch zu erreichen?

Volker Enkerts: Die Marke von einer Million zu erreichen, war ein fester Plan und die Aufträge dafür hätten wir sogar. Doch wir erleben derzeit eine so große Welle von Abwerbungen, dass wir dies nicht schaffen werden. Die von den Firmen übernommenen Spezialisten lassen sich nicht ersetzen. So geht der Rückgang der Beschäftigten in Hamburg im Vergleich zum August 2010 beispielsweise auf Übernahmen zurück.

Der Fachkräftemangel ist also auch in der Zeitarbeitsbranche zu spüren?

Enkerts: Absolut. Seit Anfang des Jahres nimmt er immer mehr zu und gilt auch für Hamburg. Derzeit können 50 000 Stellen in Deutschland nicht besetzt werden. Bis zu zehn Prozent, also 5000 davon betreffen die Hansestadt

Welche Berufe sind in der Hansestadt am stärksten gesucht?

Enkerts: Bei den Akademikern Ingenieure, Controller oder auch Einkäufer im technischen Bereich. Dazu auch Fachkräfte für das Gesundheitswesen. Im gewerblichen Bereich geht es ebenfalls um Techniker und Facharbeiter sowie Personal für die Logistik und für den Flugzeugbau. Wir spüren noch keine Delle in der Konjunktur.

Gibt es für Zeitarbeitsfirmen noch Möglichkeiten, Beschäftigte anzuwerben?

Enkerts: Ja. Zu zwei Dritteln kommen unsere Mitarbeiter aus der Arbeitslosigkeit, aber zu einem Drittel wechseln Menschen von konventionellen Firmen in die Zeitarbeit.

Warum?

Enkerts: Weil sie sich neu orientieren wollen und die Zeitarbeit als Sprungbrett sehen. Fachkräfte verdienen dabei oftmals sogar netto mehr als zuvor. Das liegt daran, dass die Zeitarbeitsfirmen neben dem Gehalt noch Zulagen für die täglichen Reisekosten oder für Mehraufwendungen für Verpflegung aushandeln können.

Wäre es nicht sinnvoll, dass Zeitarbeiter nach einer festen Frist von den Unternehmen übernommen werden müssen, wie es die IG Metall bei Airbus fordert?

Enkerts: Bei einigen Unternehmen ist dies bereits im Tarifvertrag festgelegt. Insgesamt halte ich eine solche Regelung aber für zu starr. Die Firmen würden an Flexibilität verlieren und die Mitarbeiter würden bei einer solchen Regelung möglicherweise ihre Jobs nicht behalten können. Werden Zeitarbeiter ebenso bezahlt wie die Stammbelegschaft, können sie auch jahrelang bei einer Firma bleiben. Die Beschäftigten sind ja über die Zeitarbeitsfirmen abgesichert, weil sie dort fest angestellt sind.

Die IG Metall kritisiert schlechtere Bezahlung, kürzere Kündigungsfristen und befristete Anstellungen. Zeitarbeiter würden schwieriger Kredite oder eine Wohnung erhalten. Ist das berechtigt?

Enkerts: Es gab vor vielen Jahren in Einzelfällen solche Schwierigkeiten. Wir haben damals beim Bankenverband interveniert und halten solche Praktiken für lange überwunden. Klar ist, dass Helfer mit einem Stundenlohn unter acht Euro auch in anderen Branchen nur schwer Kredite bekommen.

Wie viele Zeitarbeiter sind Helfer?

Enkerts: Etwa ein Drittel.

Ab wann wird für die Helfer ein Mindestlohn verbindlich?

Enkerts: Vorgesehen war, dass dies rückwirkend zum 1. Mai geschehen sollte. Einen Tarifvertrag haben wir mit den DGB-Gewerkschaften bereits ausgehandelt. Derzeit geht es noch darum, wie die Arbeitszeitkonten geregelt werden. Bereits jetzt dürfen 7,79 Euro pro Stunde nicht unterschritten werden.