Kilo verteuert sich um fast ein Drittel. Verbraucher müssen auch für Backwaren und Marmelade bald mehr zahlen

Hamburg. Lange Zeit galt Zucker bei den Handelsketten als preisgünstiges Angebot, um Kunden in die Geschäfte zu locken. Doch damit ist es vorbei. Als Erster hat jetzt der Discounter Aldi Süd den Preis für ein Kilo Zucker um fast ein Drittel von 65 auf 85 Cent angehoben, wie der Handelsinformationsdienst Planet Retail berichtet. Der Discountexperte Matthias Queck von Planet Retail geht nun davon aus, dass andere Anbieter nachziehen werden. "Die Konkurrenz wartet nur darauf", sagte Queck und verwies auf gestiegene Rohstoffpreise. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich der Preis für Rohrzucker auch wegen schlechter Ernten mehr als verdoppelt.

Nicht nur Zucker wird künftig teurer, sondern auch viele Produkte, die den weißen Süßmacher enthalten. "Die Preise für Hefe werden angehoben und auch die für Marmelade", sagte Peter Becker, Präsident der internationalen Bäcker-Vereinigung und Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks nach einem Gespräch mit Industrievertretern dem Abendblatt. Die Bäckereien könnten diese Mehrkosten kaum noch kompensieren. "Wenn wir für Zucker künftig das Doppelte bezahlen müssen und auch Mehrkosten für Marmelade haben, müssen vermutlich die Preise der Bäckereien erhöht werden", sagte Becker. Bislang hatten große Bäckereiketten Lieferverträge mit festgesetzten Preisen, doch die sind - vermutlich wie auch bei Aldi - zu Beginn des Oktobers ausgelaufen.

Ein Grund für die Preisrallye ist, dass Zuckerrüben und -rohr immer öfter in den Tank statt auf den Teller wandern. Sie werden weltweit gemeinsam mit Mais oder Getreide zu Ethanol verarbeitet. Auch Europas zweitgrößter Hersteller Nordzucker mit Sitz in Braunschweig ist bereits 2006 in das Geschäft mit dem Biosprit eingestiegen und hat eine Ethanolanlage gebaut.

Bäcker-Präsident Becker findet dieses Gebaren "absurd. Weil Nahrungsmittel in den Tank kommen, werden sie knapp und teurer", kritisiert er. "Das belastet die Verbraucher." Denn während auf diese Weise Mengen aus dem Lebensmittelmarkt verschwinden, wächst gleichzeitig die Nachfrage nach Zucker pro Jahr weltweit um zwei Prozent. Vor allem in Schwellenländern nimmt in wohlhabend gewordenen Bevölkerungsschichten der Hunger nach dem süßen Nahrungsmittel zu.

Zucker wird knapp und deshalb teurer. Nicht nur Bäckereien, sondern auch andere Unternehmen der Lebensmittelbranche wie Getränkehersteller haben derzeit Probleme, den Rohstoff auf dem Markt zu bekommen. Oder sie müssen zu hohe Preise bezahlen. In Europa wird die Lage noch verschärft, weil der Markt von der EU seit 1968 reguliert ist. Damals wollte man die heimischen Produzenten schützen. Die Welthandelsorganisation WTO konnte jedoch 2005 durchsetzen, dass der Export von Zucker aus der EU auf 1,4 Millionen Tonnen jährlich begrenzt ist. Gleichzeitig wurde eine Importfreigabe für die ärmsten Exportländer etwa in Afrika oder in der Karibik erreicht. So dürfen nur noch 85 Prozent des in der EU verbrauchten Zuckers von Betrieben in der Union stammen. Der Rest soll importiert werden. Die heimischen Unternehmen litten allerdings stark unter dieser Entwicklung. 79 von insgesamt 180 europäischen Zuckerfabriken in der EU wurden in den vergangenen fünf Jahren geschlossen. Manche Länder wie Irland haben den Zuckeranbau sogar komplett aufgegeben.

Die Verbilligung des süßen Nahrungsmittels im deutschen Einzelhandel ging unterdessen auf einen Preiskampf der Discounter vor zwei Jahren zurück. Damals kostete das Ein-Kilo-Päckchen Zucker bei Aldi nur noch 69 statt zuvor 85 Cent. Vor einem Jahr ging der Discounter auf 65 Cent für das Päckchen herunter - das war das niedrigste Preisniveau in Deutschland seit mehr als zehn Jahren. Auch im Vergleich mit dem Ausland war der Zucker sehr günstig. Das bekamen vor Monaten Supermärkte in der deutsch-polnischen Grenzregion zu spüren. Wegen doppelt so hoher Preise in Polen kauften Kunden aus dem Nachbarland Zucker bei ihnen in größeren Mengen ein. Mit der von Aldi eingeleiteten Verteuerungswelle dürfte auch der polnische Zuckertourismus ein Ende haben.