Renten werden gekürzt, Löhne gesenkt - Regierung in Athen verschärft den Sparkurs

Hamburg/Athen. Griechenland steht erneut vor schmerzhaften Einschnitten. Um weitere Milliarden aus dem internationalen Hilfsfonds zu erhalten, hat die Regierung in Athen gestern Abend zusätzliche drastische Sparmaßnahmen beschlossen. Im öffentlichen Dienst verlieren Tausende ihren Arbeitsplatz, Renten und Löhne sollen gekürzt werden. "Wir werden alles tun, damit wir im Euro-Land bleiben können - ohne an politische Kosten zu denken", sagte Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos.

Die griechischen Gewerkschaften kündigten schon jetzt aus Protest gegen die Sparbeschlüsse für den 19. Oktober einen Generalstreik an. Bereits heute sollen alle öffentlichen Verkehrsmittel lahmgelegt werden.

In einer sechseinhalbstündigen Sitzung hatte sich das Kabinett unter Premierminister Giorgos Papandreou darauf verständigt, zunächst 30 000 Staatsbedienstete in eine Art Arbeitsreserve zu schicken. Sie erhalten für höchstens zwölf Monate nur noch 60 Prozent ihres Einkommens, anschließend soll eine unabhängige Behörde entscheiden, wer endgültig entlassen wird. Auch die Altersbezüge werden gekürzt: Wer bis zu 1200 Euro Rente bekommt, solle zwar keine Verluste haben, sagte ein Regierungssprecher. Beträge, die darüber hinausgehen, würden aber um 20 Prozent gesenkt. Rentnern, die noch nicht 55 Jahre alt sind, werden die 1000 Euro übersteigenden Bezüge sogar um 40 Prozent gekürzt.

Die Sparmaßnahmen sind Bedingung dafür, dass die drei Geldgeber EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds den Griechen im Oktober weitere acht Milliarden Euro auszahlen, um das Land vor der Pleite zu bewahren.

In Deutschland würde jeder fünfte Deutsche sein Privatgeld an Griechenland verleihen, ermittelte das Forsa-Institut im Auftrag des "Sterns". Vergleichsweise groß ist die Bereitschaft unter Anhängern der Linken und Grünen: 29 Prozent beziehungsweise 28 Prozent würden die Griechen privat unterstützen. Von den CDU-Anhängern wären 17, von den FDP-Anhängern 13 und von den SPD-Wählern 19 Prozent dazu bereit.

Vom Abendblatt befragte Ökonomen zweifeln allerdings daran, dass die immer neuen Sparrunden das Land voranbringen. "Solche Maßnahmen zwingen die Binnenwirtschaft des Landes nur weiter in die Knie", sagt Rudolf Hinkel von der Universität Bremen. Der Ökonom forderte einen Schuldenschnitt von mindestens 50 Prozent und ein mittelfristiges Aufbauprogramm für das Land. Unterstützt wird er dabei von der Rating-Agentur Fitch. Die Aussichten für die Kreditwürdigkeit Griechenlands würden sich verbessern, wenn die Gläubiger des Landes zu stärkeren Einschnitten bereit wären.

In Deutschland nahm die umstrittene Ausweitung des Euro-Rettungsfonds (EFSF) unterdessen die erste parlamentarische Hürde. Der Haushaltsausschuss des Bundestages billigte gestern mehrheitlich die geplante Stärkung des EFSF und einigte sich zugleich auf die erweiterten Parlamentsrechte für Euro-Hilfen. Danach soll in besonders sensiblen Fällen wie beim Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder ein geheim tagendes Sondergremium über die deutsche Beteiligung an den Nothilfen entscheiden. Der Bundestag soll in der nächsten Woche über die Reform abstimmen.