Hoher Schuldenstand und wachstumsschwache Wirtschaft machen dem Land schwer zu schaffen. Rating-Agenturen warnen Geldgeber.

Hamburg. Abermals ist in der Schuldenkrise eines der Kernländer der Euro-Zone ins Fadenkreuz der Märkte geraten. Während Griechenland verzweifelt gegen den Staatsbankrott kämpft, hat die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) die Bonitätseinstufung Italiens heruntergesetzt. Im Vergleich zur Wirtschaftskraft hat Italien nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenstand in der Währungsunion. Das Abendblatt fragte Experten nach den Ursachen und Konsequenzen des Rating-Urteils.

Warum blieben die Finanzmärkte nach der Herabstufung so gelassen?

Im Unterschied zu anderen Urteilen der Bonitätswächter in den vergangenen Monaten blieben die Anleger gestern recht ruhig. Der Euro-Kurs fiel zeitweise unter die Marke von 1,36 Dollar, erholte sich dann aber wieder. Der Deutsche Aktienindex (DAX) machte anfängliche Verluste wieder wett und zog später kräftig an, selbst an der italienischen Börse stiegen die Kurse.

"Die Rating-Agentur hat den Märkten nichts Neues über Italien mitgeteilt", sagte Alexander Krüger, Leiter Kapitalmarktanalyse beim Bankhaus Lampe. Ohnehin hätten die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen schon lange deutlich über dem Niveau gelegen, auf dem man sie für ein Land mit der Einstufung A+ vermuten dürfte, hieß es von den Analysten der Commerzbank

Steigen jetzt die Zinsen von Italiens Staatsanleihen kräftig?

Theoretisch müsste die Rendite der Papiere nun anziehen, um das höhere Ausfallrisiko, das S&P ihnen bescheinigte, auszugleichen. Tatsächlich erhöhte sich die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen in einer ersten Reaktion auf das Rating-Urteil nur um 0,08 Prozentpunkte auf 5,61 Prozent. Doch die Rendite werde durch Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) künstlich niedrig gehalten , sagte Christian Schulz, Volkswirt beim Hamburger Privatbankhaus Berenberg: "Ohne die EZB würden die Zinsen auf ein Niveau steigen, bei dem es wirklich kritisch wird - auf mehr als sieben Prozent." Allerdings hätten die für Italien schlechten Nachrichten auch Auswirkungen auf Deutschland, so Krüger: "Je mehr Hiobsbotschaften wir aus anderen Ländern hören, umso gefragter werden Bundesanleihen." Sie gelten bei vielen Investoren als "sicherer Hafen" und das entlastet durch sinkende Zinsen den Bundeshaushalt.

+++ Deutsche Politiker begrüßen Italiens Herabstufung +++

Welche Ursachen stehen hinter den Schuldenproblemen Italiens?

Anders als in etlichen Euro-Ländern ist Italiens Staatsverschuldung zuletzt nicht rapide angestiegen. Die Gesamtverschuldung liegt seit vielen Jahren bei rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). "Ein hoher Schuldenstand wird heute von den Märkten aber nur noch dann akzeptiert, wenn auch das Wirtschaftswachstum relativ hoch ist - so wie in Deutschland", erklärte Krüger. Doch schon seit 2005 entwickele sich Italiens Konjunktur schlechter als in jedem anderen Euro-Land, so Jutta Kayser-Tilosen, Analystin bei der Commerzbank. Die dortige Industrie sei geprägt durch Kleinfirmen, denen das zum Wachstum notwendige Kapital und die qualifizierten Mitarbeiter fehlten. Außerdem sähen sich die italienischen Unternehmen komplizierten Steuergesetzen gegenüber und müssten fast 70 Prozent des Gewinns an den Fiskus abführen - im internationalen Vergleich ist das ein hoher Wert.

Muss man befürchten, dass Italien in eine ähnliche Lage gerät wie Griechenland?

"Ich würde Italien nicht auf eine Stufe mit Griechenland stellen", sagte Krüger. Allerdings könne das ohnehin schwache Wachstum der italienischen Wirtschaft kurzfristig angesichts des vom Parlament beschlossenen Sparpakets noch weiter gedrückt werden. Die Mitte-Rechts-Regierung hatte in zwei Schritten Sparmaßnahmen von insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro beschlossen. Bereits im Jahr 2013 soll der Haushalt ausgeglichen sein. Schulz hält es für "durchaus realistisch", dass diese Beschlüsse Wirkung zeigen: "Eine Mehrwertsteueranhebung ist leicht umsetzbar und führt fast immer zu dem gewünschten Ergebnis."

Könnte auch Italien noch von den Euro-Partnern gerettet werden?

Auf die Frage, ob auch Italien unter einen Rettungsschirm schlüpfen könnte, falls die Finanzmärkte das Vertrauen in das Land nicht wiedergewinnen sollten, haben die Experten eine klare Antwort: Im Unterschied zu Griechenland könne Italien durch niemand anderen gerettet werden als durch Italien selbst. "Spanien könnte man noch auffangen, Italien aber nicht", so Schulz. "Da ginge es um Beträge, die die Haushalte der Geberländer sprengen würden.

"Welche anderen Euro-Länder sind durch Rating-Herabstufungen bedroht?

"Ein Kandidat dafür ist Spanien", meint Schulz. Auch Belgien werde immer wieder genannt. "Meine große Sorge ist, dass Frankreich unter Druck gerät", sagte Krüger. Denn dieses Land sei mit seinem AAA-Bonitätsurteil wichtig als Garantiegeber für die Rettungsschirme. "Schon die Ankündigung einer Rating-Agentur, dass man die Einstufung überprüft, könnte Schockwellen auslösen", warnte Schulz. Doch den Zwang zum Sparen verspürt selbst das kleine Fürstentum Monaco. Das Minireich an der Mittelmeerküste werde in den kommenden drei Jahren durch eiserne Haushaltsdisziplin sein Budgetdefizit auf null reduzieren, versprach gestern Staatsminister Michel Roger.