Rund 200 Unternehmerinnen treffen sich in der Handelskammer, um über nachhaltige Geschäftsführung zu diskutieren. Drei Beispiele.

Hamburg. "Ein Unternehmen läuft nur, wenn das Arbeitsumfeld stimmt und die Geschäftsidee gut ist", sagt Karin Stehr. Die 49-jährige Hamburgerin trägt eine auffällige Brille mit pinkfarbenem Gestell, dazu den passenden Lippenstift. Die Brille ist für sie kein Makel, sondern ein Accessoire. Und das will sie auch ihren Kunden vermitteln. In direkter Nachbarschaft zum Neuen Wall eröffnete die Geschäftsfrau vor sechs Jahren "Belle Vue! Avantgarde Optic", ein Brillengeschäft, das bewusst auf die Luxusmodelle von Prada, Gucci und Co. verzichtet.

"Das widerspricht sich überhaupt nicht", sagt die Geschäftsfrau selbstbewusst. "Leute, die sich in den großen Boutiquen eingekleidet haben, kommen zu uns, um seltene Brillenmodelle zu kaufen. Die Mischung macht's, auch an einem Standort wie hier." Und damit diese Mischung und das Geschäftsklima weiterhin bestehen bleiben, engagiert sich Karin Stehr für die Interessen-gemeinschaft Neuer Wall - eine Vereinigung, die dafür sorgt, dass das besondere Flair rund um die Einkaufsstraße erhalten bleibt.

Schon die Gründungsväter der Hamburger Handelskammer wussten es vor knapp 350 Jahren: Erfolg stellt sich nur ein, wenn unternehmerisches Wirken langfristig angelegt wird. Nachhaltigkeit - eine Ausrichtung, die sich in den letzten Jahren immer mehr Unternehmen auf die Fahnen geschrieben haben, ist also nichts Neues. Etwas anderes hat sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte verändert: Der Ehrbare Kaufmann ist inzwischen auch weiblich. An diesem Sonnabend treffen sich deshalb rund 200 Frauen in der Handelskammer auf dem Unternehmerinnentag, um sich über ökologische, effiziente und verantwortungsbewusste Unternehmensführung auszutauschen.

"Ökologie und Ökonomie sind für die Hamburger Wirtschaft kein Gegensatz, sondern die Kehrseite derselben Medaille", sagt Corinna Nienstedt, Geschäftsführerin der Handelskammer. "Vielleicht können Hamburgs Unternehmerinnen hier ein Zeichen setzen."

Und das Potenzial scheint da zu sein. In der Hansestadt machen sich immer mehr Frauen selbstständig, 43 000 Unternehmerinnen gibt es bereits. Das sind 35,8 Prozent der selbstständigen Hamburger. Bundesweit liegt der Frauenanteil nur bei 31 Prozent. "Der Informationsbedarf ist deshalb vorhanden", so Nienstedt. Dabei könne es um ganz grundlegende Dinge gehen, beispielsweise um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder das erfolgreiche Verhandeln mit Banken und Geschäftspartnern. Darüber hinaus haben besonders Geschäftsfrauen den Anspruch, die Unternehmensführung langfristig zu planen - und dabei kommt dann wieder die Nachhaltigkeit ins Spiel.

Im Zentrum der Veranstaltung stehen deshalb Themen wie Leitbildentwicklung, Personalführung mit sozialem Weitblick, nachhaltige Finanzierung und ressourceneffiziente Unternehmensorganisation. All das fällt unter den Begriff Nachhaltigkeit. Hinzugekommen ist unter dem Einfluss von Klimawandel und begrenzten Ressourcen in den letzten Jahren außerdem der ökologische Aspekt. "Am auffälligsten ist vielleicht der Imagegewinn, der durch eine solche Ausrichtung des Unternehmens entsteht", sagt Kristina Tröger, Landesvorsitzende des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU). "Firmen, die sichtbar Verantwortung übernehmen, wirken sympathisch und genießen Vertrauen." Ein Gedanke, der nachweislich besonders in Unternehmen verankert ist, die von Frauen geführt werden.

Vor allem große Konzerne standen bisher im Fokus, wenn es um die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung geht. Mittlerweile haben jedoch auch kleinere Unternehmen verstanden, dass eine soziale Orientierung zum Erfolg verhelfen kann. Soziale Verantwortung - das ist auch das gemeinsame Engagement für Projekte und Erhaltung des guten Rufs einer Einkaufsstraße.

Für Karin Stehr ist es selbstverständlich, dass sie Geschäfte in der Nachbarschaft empfiehlt. "Im November feiern wir eine Modeparty mit drei befreundeten Geschäften am Neuen Wall", sagt Stehr. "Wir unterstützen uns gegenseitig - das hilft uns allen weiter. Und zwar langfristig."