Regierung hat nur noch bis Oktober Geld. DAX fällt zeitweise unter 5000 Punkte

Hamburg. Was Europas Politiker noch vor wenigen Wochen unbedingt verhindern wollten, könnte schon in einigen Tagen eintreten: die Pleite eines Euro-Staates. Griechenland habe nur noch bis Oktober genügend Geld, um die Gehälter und Renten von Lehrern, Polizisten und anderen Staatsbediensteten zu zahlen, sagte der stellvertretende Finanzminister Filippos Sachinides dem Fernsehsender Mega.

Abwenden kann Griechenland die Insolvenz nur durch eine neue Auszahlung aus dem Rettungsschirm der EU und des Internationalen Währungsfonds IWF. Ob Athen die erhofften zwölf Milliarden Euro erhält, hängt vom Urteil einer Expertengruppe dieser beiden Institutionen sowie der Europäischen Zentralbank, der sogenannten Troika, ab. Diese Kommission hatte in der vergangenen Woche ihre Arbeit abgebrochen und die griechische Regierung zu Nachbesserungen am Haushaltsplan für 2012 aufgefordert.

EU-Währungskommissar Olli Rehn begrüßte gestern die von Athen beschlossene Einführung einer neuen Immobiliensteuer, die zusätzliche zwei Milliarden Euro in die Kassen spülen soll. Die EU-Experten sollen morgen in die griechische Hauptstadt zurückkehren. "Wenn Griechenland die Auflagen erfüllt, kann die Troika ihre Prüfung bis Ende September abschließen", sagte Rehn.

Doch es gibt einen "Plan B" - den Weg in die Staatspleite. Mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte erstmals ein Mitglied der Bundesregierung eine geordnete Insolvenz Griechenlands als letztes Mittel ins Gespräch gebracht - und damit die Finanzmärkte erschreckt. Der Deutsche Aktienindex (DAX) sackte im frühen Handel unter die Marke von 5000 Punkten und rutschte zeitweise um bis zu 4,3 Prozent ab.

Tatsächlich nimmt Experten zufolge die Wahrscheinlichkeit für eine Pleite Griechenlands zu. "Viele Beobachter glauben nicht mehr, dass die Regierung in Athen die Staatsfinanzen stabilisieren kann", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dem Abendblatt. "Damit wächst die Gefahr, dass man in anderen europäischen Hauptstädten die Geduld verliert."

Würde Griechenland insolvent, wäre ein deutlicher Schuldenschnitt die Folge. Die Staatsanleihen würden voraussichtlich um mehr als 30 Prozent abgewertet, meint Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Barclays Capital - und das brächte Verluste auch für deutsche Banken. Gleichzeitig würde Athen vom Kapitalmarkt kein Geld mehr erhalten. Weil aber die Steuereinnahmen nicht einmal ausreichten, um die laufenden Ausgaben zu decken, wäre Griechenland weiter auf finanzielle Hilfen von den europäischen Partnern angewiesen, sagte Christian Schulz, Volkswirt beim Hamburger Bankhaus Berenberg.

Unterdessen zog Rösler mit seinen Äußerungen auch Kritik aus der Koalition auf sich. Man dürfe Länder nicht "in die Pleite reden", warnte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, es mache "keinen Sinn, die Nervosität durch Gerede zu verstärken". Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister und stellvertretender SPD-Vorsitzender, warf Rösler im SWR unverantwortlichen Populismus vor: "Die FDP sagt aus innenpolitischen Gründen etwas, was weltweite Krisen auslösen kann."