Mit sieben Beschäftigten fing sie an. Nun zählt die Agentur kempertrautmann 180 Mitarbeiter. Eine Hamburger Erfolgsgeschichte.

Hamburg. In einer Branche, die beseelt ist vom Verkaufen, abhängig vom Auffallen, agiert Michael Trautmann erstaunlich zurückhaltend, auf sympathische Art bescheiden. Während sich Kollege Jean-Remy von Matt für die Wäschefirma Mey bis auf die Unterhose auszieht und Werber Oliver Voss mit einer aufreizenden Riesennixe in der Alster auf sich aufmerksam macht, isst Trautmann während des Interviews mit dem Abendblatt unprätentiös einen Salat mit Brötchen und verwendet gleich mehrmals das Wort "Dankbarkeit", gerade so, als wenn er den Aufstieg seiner Agentur kempertrautmann entschuldigen wollte.

Dabei ist sie lang, die Reihe seiner Erfolge. Der einstige Unternehmensberater beeindruckt nicht nur mit einem rasanten Wachstumstempo seiner Agentur. Das Gründungsteam von sieben Beschäftigten ist von 2004 bis heute auf 180 Menschen angewachsen, die ihre Kampagnen in minimalistisch ausgestatteten Büros mit Designermöbeln kreieren. Neben dem Stammsitz in der Hansestadt vervollständigen Niederlassungen in Düsseldorf und Berlin, eine Designtochter und eine Produktionsfirma die Gruppe.

+++ Hamburgs Gründerpreis feiert Geburtstag +++

Vor fünf Jahren gewann die Firma den Hamburger Gründerpreis in der Kategorie "Existenzgründer". Kunden wie Henkel oder Audi verlassen sich seit der Gründung der Agentur auf die Profis aus der Werbehochburg an der Alster. "Der Gewinn des Preises hat uns dann auch in Hamburg mehr Aufmerksamkeit beschert", sagt Trautmann. Unternehmen aus der Hansestadt wie der Bürospezialist Edding entschieden sich anschließend für die Agentur. Zuletzt gewann kempertrautmann den Etat von Ikea, für die Schweden verantwortet die Agentur jetzt die Kampagnen für ganz Deutschland.

Während sich Trautmanns Mitgründer Andre Kemper, 48, niemals einen anderen Beruf als den des Werbers hat vorstellen können, dachte Trautmann als junger Mann auch an andere kreative Berufe. "Zum Architekten oder Musiker fehlte mir aber die Begabung", spielt der heute 46-Jährige mit gewohnter Zurückhaltung seine Talente herunter. Selbst dem Kunden, der seiner Agentur zuletzt recht barsch den Rücken gekehrt hat, ist er "dankbar", denn "ohne Media-Markt wäre unsere Agentur nicht zu dem geworden, was sie heute ist". Ohne Trautmann aber auch nicht. Zwar ist Kemper der Außenminister, der schillernde Partner, der jetzt in die Hall of Fame der Werbung aufgenommen worden ist. Doch der Stratege, der das große Ganze im Blick behält, während beim Kunden die Hütte brennt, ist Kemper nicht. "Ich habe den Boss mehr gespielt, als diese Rolle wirklich auszufüllen", sagte er einmal über seine Zeit an der Spitze bei Springer & Jacoby, der führenden deutschen Agentur der 80er-Jahre, wo Kemper und Trautmann einst Weggefährten waren. Kemper ist der Koch, der gerne selber in der Küche steht. Als Kreativchef belastet er sich in seiner Detailversessenheit mit einem geradezu beängstigenden Arbeitspensum. Die Führung könnte nach Meinung aus Agentur und Branche womöglich sogar Unterstützung gebrauchen. Auch Trautmann, der die Beratung leitet, gibt den Willen nach Veränderung offen zu, "die Agentur muss unabhängiger von uns werden".

Zumal die Aufgaben in der Werbung komplexer werden. Die digitalen Medien verändern die Kreativwirtschaft mit einer Wucht, die an die Erfindung der Dampfmaschine zu Beginn des Industriezeitalters heranreicht. "Früher galt es, die Instrumente zu verfeinern", sagt Trautmann. Mit dem Internet kämen nun immer neue Werbeformen hinzu, neben Artdirektoren und Textern gehörten heute Experten für soziale Netzwerke und Programmierer zum Geburtsteam einer Werbekampagne. "Wir befinden uns bei den digitalen Medien aber noch am Anfang der Reise", sagt Trautmann. 2010 war die Agentur auf den Zug aufgesprungen. Sie hatte das Geld, das sie die Jahre zuvor stets für Kreativwettbewerbe ausgegeben hatte, in die Kompetenz in Sachen digitaler Medien investiert und war in Cannes oder beim Art Directors Club (ADC) nicht angetreten.

Diese Abstinenz hat den Erfolgschancen des Duos allerdings keinerlei Abbruch getan: Nach Jung von Matt, die allerdings auch fünfmal so groß sind, gewann die Agentur in Cannes jüngst die meisten Löwen, immerhin 13 der begehrten Oscars der Werbeszene. Damit zählt kempertrautmann in den Branchenrankings wiederum zur absoluten Top-Elite der Kreativen Deutschlands. Auch wirtschaftlich spiegelt sich der Erfolg wider: Lag die Gruppe 2008 beim Umsatz noch unter der Marke von zehn Millionen Euro, hat sie die Erlöse bis heute auf gut 18 Millionen Euro verdoppelt. Viel Werbung in eigener Sache müssen Trautmann und Kemper daher nicht machen.