Hersteller leiden unter wachsendem Preisdruck. Konkurrenz aus China baut Marktmacht aus. Fachkongress Anfang September in Hamburg.

Hamburg. Eine Branchenkrise lassen die Zahlen nicht erkennen. Rund 950 Aussteller haben sich für den 26. Fachkongress "European Photovoltaic Solar Energy Conference and Exhibition" angemeldet, der vom 5. bis zum 9. September in der Messe Hamburg stattfindet. "Die Veranstaltung ist komplett ausgebucht", sagt eine Mitarbeiterin der Agentur MetaCom. Man erwarte rund 4000 Teilnehmer zu dem Kongress und etwa 40 000 Fachbesucher zur begleitenden Messe.

Das Interesse an der Fotovoltaik, der Technologie zur Umwandlung von Sonnenlicht in Strom, ist ungebrochen. Nicht aber die Erfolgsgeschichte der deutschen Solarindustrie. Nach einem rasanten Aufstieg steht die Branche derzeit unter massivem Druck.

Industrie- und Dienstleistungsunternehmen machten Deutschland im vergangenen Jahrzehnt zum führenden Standort der Solarbranche weltweit. Q-Cells stieg zum größten Solarzellenhersteller auf, Solarworld zu einem der erfolgreichsten integrierten Solarkonzerne. Der Vorstand des Hamburger Unternehmens Conergy baute aus dem Fotovoltaik-Geschäft heraus einen Mischkonzern für erneuerbare Energien auf.

Vor allem durch Subventionen war dieser Aufstieg gelungen. Wer eine Fotovoltaik-Anlage betreibt, erhält für die Einspeisung des Stroms ins Netz eine auf 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung. Die Kosten dafür tragen sämtliche Stromkunden als Umlage. So wurde Deutschland zum größten Absatzmarkt für Solarstromanlagen weltweit.

+++ Conergy plant Stellenabbau - offenbar auch in Hamburg +++

Doch der Segen erwies sich auch als Fluch. Chinesische Hersteller nutzten den öffentlich geförderten Boom in Deutschland und bauten in Rekordzeit eigene Kapazitäten auf - mit deutschen Anlagen zur Herstellung von Solarmodulen wie etwa denen von Centrotherm. Mehr als die Hälfte aller in Deutschland verbauten Fotovoltaik-Module stammt nach Branchenschätzungen mittlerweile aus China. Das entspricht in etwa auch dem Weltmarktanteil chinesischer Hersteller. Die chinesischen Solarplatten sind um gut ein Drittel billiger als die deutschen. Von den zehn führenden Fotovoltaik-Produzenten stammen vier aus dem Reich der Mitte.

Viele deutsche Hersteller kamen mit dem Preisverfall bei den Solaranlagen nicht klar und blieben auf ihren Erzeugnissen sitzen. Der Druck wuchs zusätzlich dadurch, dass seit 2010 die Einspeisevergütungen für Fotovoltaik-Anlagen in Deutschland weit stärker gesenkt wurden als zuvor geplant. "Manche deutsche Solarunternehmen, die zu stark auf Einspeisevergütungen gesetzt haben, sind damit in die Subventionsfalle getappt", sagt Jan-Philipp Gillmann, Chef der Sparte für erneuerbare Energien bei der Commerzbank in Hamburg. "Manche Hersteller vor allem in der Wertschöpfungsstufe der Solarzelle und des Moduls haben die politische Entwicklung am Fotovoltaik-Markt falsch eingeschätzt."

Volkswirtschaftlich gesehen ist der Verfall der Solarstrompreise ein Fortschritt: Nach wie vor ist die Fotovoltaik die weitaus teuerste Art, Strom zu erzeugen. Die Kilowattstunde aus einer Kleinanlage wird, trotz bereits stark abgesenkter Einspeisetarife, noch immer mit 28,74 Cent je Kilowattstunde vergütet. Je weiter aber die Produktionskosten für die Solaranlagen fallen - und daran indirekt gekoppelt auch die Subventionen - desto eher wird die bisherige Edeltechnologie reif für den Massenmarkt. Damit wächst ihre Bedeutung für die künftige Stromversorgung des Landes, die nach dem geplanten Atomausstieg künftig vor allem auf erneuerbaren Energien basieren soll.

Eine Reihe deutscher Hersteller und Systemanbieter geriet durch die Umbrüche am Markt zuletzt in die Krise. Der Durchschnittspreis bei kleineren Solaranlagen fiel von rund 5000 Euro je Kilowatt Spitzennennleistung Mitte 2006 auf derzeit rund 2200 Euro. Das riss die Unternehmensbilanzen teils drastisch ins Minus.

Q-Cells weist für das erste Halbjahr 2011 einen operativen Verlust von rund 362 Millionen Euro aus. Die Zahl der deutschen Arbeitsplätze bei dem Unternehmen soll weiter sinken. Auch Phoenix Solar in München kämpft mit Verlusten. Dem Berliner Solarkonzern Solon droht die Insolvenz. Conergy erschwert der wachsende Konkurrenzdruck den Versuch, nach den Rückschlägen der vergangenen Jahre zumindest im Solargeschäft endlich wieder Tritt zu fassen (siehe Kastentext).

Die chinesische Konkurrenz wird unterdessen immer stärker. Dieser Tage gab die Regierung in Peking bekannt, dass künftig auch in China die Einspeisung von Solarstrom gefördert werde. Chinesische Unternehmen wie Suntech oder Yingli dürften nach ihren bisherigen Exporterfolgen auch am Heimatmarkt einen starken zusätzlichen Schub bekommen. Schon ihr Aufstieg in den vergangenen Jahren war, so der Argwohn in der deutschen Branche, massiv staatlich unterstützt worden, durch billige Energie, günstige Finanzierungen oder auch schnelle Genehmigungen für neue Fabriken.

Der Branchenverband in Berlin hält tapfer gegen die schlechte Stimmung: "Auch in Deutschland entwickelt sich die Fotovoltaik in einem rasanten Tempo in Richtung Wettbewerbsfähigkeit", sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Zudem wachse das Geschäft mit Fotovoltaik weltweit: "Die deutsche Solarwirtschaft hat das klare Ziel, ihre technologische Spitzenstellung zu wahren und zu behaupten."

Auch Jürgen H. Lange, Leiter des Bereiches Energy bei der HSH Nordbank, sieht die Solarbranche auf dem richtigen Weg: "Um die Energiewende umzusetzen, müssen alle Möglichkeiten genutzt werden. In den nächsten Jahren ist mit weiter deutlich fallenden Erzeugungspreisen zu rechnen, was zu weiter sinkenden Förderungen führt." Mittelfristig, sagt Lange, bringe dieser Preis- und Kostenverfall die Solarindustrie an den Zielpunkt: dorthin, wo der Strom aus Sonnenlicht mit Strom aus jeder anderen dann verfügbaren Energiequelle wird konkurrieren können.