Der frühere Marinehafen bei Kappeln soll zum größten Ferienresort Nordeuropas werden. Doch unter den Investoren des 600-Millionen-Projekts ist ein Streit entbrannt

Der Weg ist lang, der von der Bundesstraße 203 abzweigt und über eine sanft geschwungene Wiesenlandschaft bis zu dem ehemaligen Marinestützpunkt Olpenitz führt. "Olpesibirsk", spöttelten Soldaten manchmal, wenn sie die Abgelegenheit dieses riesigen Militärhafens beschrieben. Unvermittelt endet die Zufahrt vor einem Tor: Wachhäuschen, Schranke, Zäune, Verwaltungsbaracke - noch sieht es aus, als sei die Marine Hausherr. "Munitions-Kfz" warnt ein gelbes Schild, hinter Büschen schimmern Backsteinwohnblocks, auf den Straßen wächst Gras.

Im Kontrast dazu empfängt ein wuchtiges Werbeplakat die Besucher: Eine Computersimulation eines Yachthafens mit vielen bunten Häusern ist darauf zu sehen. "Port Olpenitz: mein Haus, mein Boot, mein Liegeplatz" steht darüber. Eine Vision, auf der viel Hoffnung ruht in der Region. 2200 Soldaten und ihre Familien sowie Hunderte Zivilangestellte lebten hier, bis der Standort 2006 aufgegeben wurde. Bis zu 4000 Arbeitsplätze hingen an dem Stützpunkt. Ein heftiger Schlag vor allem für das nahe Kappeln. Das pittoreske Städtchen an der Schlei verlor Kaufkraft, hatte aber noch hohe Infrastruk-turkosten. 2006 kaufte eine deutsch-amerikanische Investorengruppe das Marineareal, das samt Hafen 150 Hektar und damit so groß wie das Plangebiet der Hamburger HafenCity ist.

Port Olpenitz, so nennen sie ein Vorhaben, das mehrere Superlative bieten soll: Das größte Ferienresort Nordeuropas mit 1000 Häusern, Hotels, Freizeitinseln soll dort an der Mündung der Schlei gebaut werden. 2500 Yachtliegeplätze sind angepeilt - die größte Marina Europas. Und Port Olpenitz gilt als größtes Konversionsprojekt in Deutschland. Nirgendwo, so heißt es im Kappelner Rathaus, gebe es ein größeres Militärgelände, das zu zivilen Zwecken umgewandelt wird.

Doch bei so viel Größe ist auch das Misstrauen groß. Zu gigantisch sei das alles, kritisieren viele immer wieder in einschlägigen Internetblogs und Leserbriefen von örtlichen Zeitungen. Aus dem größten Feriendorf könnte auch ein größter Flop werden, eine Investitionsruine, in der auch Millionen Steuergelder versenkt würden, heißt es dann. Neue Nahrung bekamen solche Nörgeleien jüngst, als ein Streit um Millionen und Verantwortlichkeiten zwischen den amerikanischen und deutschen Gesellschaftern offen zutage trat. Nein, sagt Jaska Harm, das sei eher ein "reinigendes Gewitter" gewesen. Der 42-jährige Unternehmer ist so etwas wie Herz und Kopf zugleich von Port Olpenitz. Am Rheinsberger See bei Berlin hatte der Immobilienkaufmann den Ferienhauskomplex "Hafendorf" gebaut. 2004 kam dann der Anruf von der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis, ob er sich so etwas nicht auch für Olpenitz vorstellen könne. Nur eben größer. Wie in Rheinsberg ist sein Vater der Architekt, Harm junior selbst Gesellschafter, Bauunternehmer und Geschäftsführer zugleich, der sich amerikanische Geldgeber suchte. Und die ihn nun absägen wollen.

Harm gebe Millionen ohne Absprache aus, so der Vorwurf. Harm selbst kontert mit deutschem GmbH-Recht, das man in den USA nicht verstehe. Längst streiten die Partner vor Gericht. Hinter den Kulissen werden Ausstiegsvarianten besprochen und wird mit neuen Investoren verhandelt. Harms Harminvest GmbH hält zwar nur zehn Prozent, doch Gesellschafterbeschlüsse müssen mit mindestens 91 Prozent Stimmanteilen fallen. Ein Patt also, eine vertrackte Situation, die nun alles blockiert?

"Nö", sagt Harm. Mit Port Olpenitz gehe es weiter wie geplant, unabhängig vom Streit der Investoren. Etwas ungelenk stapft er mit seinen Anzugsschuhen über einen Sandhügel am ehemaligen Kasernentor. Die dunkelblonden Haare trägt der Unternehmer aus Berlin sonst nach hinten gekämmt, jetzt flattern sie im kräftigen Ostseewind wild hin und her.

Später wolle er das Gelände zeigen, doch zunächst könne man sich doch einmal das Musterhaus ansehen, schlägt er vor. An einem Gang neben zwei alten Bauten mit bröckelndem Putz weist ein Schild dorthin: ein zweistöckiges Haus mit zartgelber Holzfassade, das da zwischen hohem Dünengras und unfertigen Betonplatten ganz nahe am Wasser steht. Ein Stück Bullerbü mitten im alten Militärgelände. Einige Ehepaare, Familien schlendern um das neue Gebäude herum, an einem Imbisswagen trinken Besucher Kaffee. Jetzt im Sommer kommen schon bis zu 600 Leute am Tag, sagt Harms Vertriebsdirektorin, eine blonde Frau mit unaufgeregtem Lächeln. Im Haus "Typ Gunneby" empfängt die Neugierigen ein Blick über die Terrasse direkt auf eine große Schleibucht. Segelschiffe ziehen dicht vorbei, weiter hinter glitzern vor dunklen Regenwolken etliche Masten des Yachthafens von Maasholm. Und im Fernsehen des Musterhauses läuft Zukunft: Computersimulationen, die zeigen, wie Port Olpenitz aussehen soll. Viele bunte Häuser am Wasser sind zu sehen, davor Stege mit weißen Yachten. Die Kamera schwenkt über eine lange Hafenpromenade mit Geschäften, eine Ferienhauslandschaft mit geschwungenen Flussläufen. Sie zeigt Luxushotels auf Inseln, einen gigantischen grünen Hügel mit Kletterwand, der im Inneren einen Wasserzugang hat und als geschützte Winterhalle für die vielen Boote dienen soll. Strände sind zu sehen, blaues Ostseewasser überall.

Ein erster Teil von dieser Zukunft sei bereits fertig, sagt Harm. Ganz am Ende des weitläufigen Geländes auf einer künstlichen Landzunge, die weit in die Ostsee ragt. Dort, wo man nur nach Terminabsprache hinkommt. Das will er nun zeigen und bittet in einen großen Geländewagen. Nach einigen Abzweigungen führt die frühere Kasernenstraße plötzlich durch etliche Reihen von roten Wohnblocks, Dutzende Häuser stehen dort, die Fensterrahmen sind bereits ausgebaut, Büsche wachsen wild auf Gehwegen. Eine Geisterstadt. Der Geländewagen rumpelt über Schlaglöcher. "Das kommt alles weg", sagt Harm. Und dass hier einmal Mietferienhäuser an künstlichen Flussläufen entstehen sollen. Vielleicht baut er das, vielleicht aber auch Investoren, sagt er.

Er lenkt den Wagen schließlich auf die Hafenzufahrt: 66 Hektar ist die Wasserfläche groß, doppelt so viel wie die Binnenalster. Ein alter Eisbrecher hat dort festgemacht, er soll Restaurantschiff werden, mehrere große Yachten liegen an den Stegen, wo früher Schnellboote und Minensucher dümpelten. Ein Ausflugsdampfer aus Kappeln dreht eine Schleife im Hafenbecken. "Das habe ich erlaubt, dann kann man schon einmal sehen, was hier passiert", sagt Harm. Am anderen Ende des Hafens stoppt er den Wagen: Eine schmale Landzunge trennt hier Hafen und Ostsee. Gut zwei Dutzend der im ersten Bauabschnitt geplanten 180 Häuser stehen dort schon, dazwischen verläuft eine sandige Baustraße, Rohre lugen aus dem Boden, Handwerker-Lkw parken davor. Zwischen 300 000 und eine Million Euro kosten die skandinavischen Holzhaustypen, die "Nieby" oder "Norby" heißen. Die Bauteile liefert eine Firma, die Harm gegründet hat. Acht Millionen hat die Erschließung gekostet. Alles sei fertig für den ersten Abschnitt, der für Privatnutzer gedacht sei, sagt er stolz. Und dass die Straße Auf der Ostsee heiße, "Auf - nicht an, das sagt doch alles", freut er sich und präsentiert die ersten fertigen Häuser, die tatsächlich direkt am Strand stehen. So nahe, als stünde man auf einer Zuschauertribüne, rauschen im Nordostwind Segelboote vorbei. Das blaue Haus ganz am Bogen der Landzunge, 500 000 Euro teuer, ist so gut wie fertig. Der Käufer, ein Unternehmer aus Hamburg, ("Stahlbranche, aber keinen Namen"), ist heute auch gekommen. Ja, der Harm habe sich da ganz schön was vorgenommen, sagt der Mann. Und dass er passionierter Segler sei und sich hier einen Traum erfülle. Investorenstreit, dunkle Wolken? "Nein, mit dieser Lage kann hier nicht viel passieren", sagt er.

Ein Optimismus, der im Rathaus von Kappeln gern gehört wird. Olpenitz gehört zu der 9800-Einwohner-Gemeinde, die auch unter anderen Standortschließungen der Marine zu leiden hat. 2004 stellte Harm dem Rat das Projekt vor, 2006 beschloss die Stadt den ersten Bebauungsplan. 2009 einen zweiten, nachdem Naturschützer per Gericht die Bebauung eines schmalen Streifen zwischen Schlei und Ostsee stoppen konnten. Als Kompromiss wurde die künstliche Landzunge gebaut, die alles um etliche Millionen verteuerte. 15,5 Millionen gibt Kappeln jedes Jahr aus, nimmt aber nur 12,5 Millionen ein.

Und dennoch verpflichtete sich der Rat mit Millionenbeträgen Plätze und Brücken in Port Olpenitz zu bauen. "Stimmt schon, wir sind hier nicht gerade auf Rosen gebettet", sagt Bürgermeister Heiko Traulsen, 53 Jahre, kurze graue Haare, drahtig. Er sitzt mit dem Bauamtsleiter in seinem Büro in der Kappelner Innenstadt. Ein großes Segelbootmodell steht auf einer Kommode. Draußen schlendern Touristen, vorbei an dem Gasthaus, das in der Serie "Der Landarzt" oft zu sehen ist. Das Fernseh-Rührstück dürfte der Gegend an der Schlei mehr Aufmerksamkeit gebracht haben als Port Olpenitz. Die sanfte Landschaft, die Strände, die Rapsfelder - das bringt jedes Jahr viele Besucher, mancher Hamburger hat hier sein Feriendomizil. Trotz Schulden hat sich Kappeln eine hübsche Hafenpromenade gebaut, mit Cafés und Gästehafen. "Wir sind jetzt vom Tourismus abhängig", sagt Traulsen.

Aber Sorgen um das Projekt Port Olpenitz? Nein, das müsse man nicht haben, sagen beide immer wieder wie verabredet, und ihr Lächeln bleibt dabei maskenhaft. Der Vorgänger von Traulsen hat seinen Job geschmissen, weil er die Millionenverpflichtung für Port Olpenitz nicht mehr verantworten wollte. Traulsen, vorher Vizepolizeichef in Kappeln und parteilos, wurde Anfang 2010 gewählt und geht den Weg weiter. Der erste Abschnitt ist bald fertig, da sei er sicher. "Das wird ein Befreiungsschlag", sagt er. Und dass es dazu keine Alternative gebe, das müsse einfach etwas werden. "Wir sind da absolut zuversichtlich", wiederholen Bauamtsleiter und Bürgermeister, und es klingt so, als würden sie diesen Satz oft sagen müssen in diesen Tagen. Ob dunkle Wolken über Port Olpenitz aufgezogen sind oder nur ein reinigendes Gewitter, lässt sich von Außen da kaum ausmachen. Ein kräftiger Sturm ist es allemal.