Wassergebühren machen Norddeutschlands einziges Pumpspeicherkraftwerk unrentabel. Dabei könnte es viel Energie speichern - etwa aus Windparks.

Hamburg. Der Bundespräsident kam zur Einweihung der neuen Anlage persönlich an die Elbe. Das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) stand als Symbol für Fortschritt und Leistungsfähigkeit der deutschen Stromwirtschaft. Das riesige Staubecken oben am Geesthang und die Fallrohre hinab zum Fluss waren jahrelang eine der größten Baustellen in Deutschland gewesen. Am 15. Oktober 1958 nahm Bundespräsident Theodor Heuss, Westdeutschlands erstes Staatsoberhaupt nach dem Zweiten Weltkrieg, gemeinsam mit Hamburgs damaligem Bürgermeister Max Brauer und vielen Gästen das Bauwerk in Betrieb. Es ist bis heute das einzige Pumpspeicherkraftwerk in Norddeutschland.

Im Maschinenhaus des Kraftwerks rauscht, zischt und wummert es, dann überlagert ein Tosen alle anderen Geräusche, das schließlich in ein gleichmäßiges Rauschen übergeht. Kraftwerksmeister Frank Stecher lässt zur Vorführung eine der drei mächtigen Siemens-Turbinen anfahren. 63 Kubikmeter Wasser je Sekunde aus einem der drei Fallrohre drücken über die Stahlschaufeln des Stromgenerators. "Innerhalb von 90 Sekunden kann die Anlage aus dem Stand heraus auf Höchstleistung laufen", sagt Stecher. "Die mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser im Staubecken - so viel wie in der Binnen- und der Außenalster zusammen - reichen für fünf Stunden Betrieb unter Volllast." Neun Stunden müssten die Pumpen im Kraftwerk arbeiten, um das Staubecken mehr als 80 Meter oberhalb der Elbe dann wieder mit Wasser zu füllen. Das allerdings ist schon lange nicht mehr geschehen.

Das Pumpspeicherkraftwerk, das mittlerweile unter der Regie des HEW-Nachfolgers Vattenfall Europe läuft, arbeitet derzeit nicht rentabel. Im Jahr 2001 führte das Land Schleswig-Holstein eine neue Abgabe für die Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern ein. Gedacht war das damals vor allem für die Nutzung von Flusswasser als Kühlwasser in Atomkraftwerken wie Brokdorf oder Brunsbüttel an der Elbe. Betroffen von der neuen Gesetzeslage war aber auch das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht. Sobald im Speicherbecken der Wasserpegel sinkt, werden Gebühren fällig - und zwar exakt 0,0077 Euro je Quadratmeter Wasserfläche. "Durch diese Abgabe wird eine Megawattstunde Strom aus dem Pumpspeicherkraftwerk um 40 Euro teurer - das macht den Speicherbetrieb hier unwirtschaftlich", sagt Gunnar Groebler, Leiter des Geschäfts mit Wasserkraftwerken bei Vattenfall Europe.

In den 50er-Jahren ging es darum, die deutsche Stromwirtschaft wieder aufzubauen und eine Versorgung auf hohem Niveau zu erreichen. Das Pumpspeicherkraftwerk in Geesthacht trug dazu mit sogenanntem Spitzenlaststrom bei. Wenn besonders schnell zusätzlicher Strom gebraucht wird, eignen sich Fallwasserkraftwerke wegen ihrer kurzen Anlaufzeiten besonders gut. Auch zur Stabilisierung des Stromnetzes bei einem Spannungsabfall war Geesthacht geplant worden. Seit den 70er-Jahren kam Strom für Norddeutschland zunehmend aus Atomkraftwerken wie Stade, Krümmel, Brunsbüttel oder Brokdorf - Geesthacht erwies sich als idealer Speicher für die Aufnahme von ungenutztem Atomstrom vor allem in der Nacht.

Mittlerweile zeichnet sich ein neuer Bedarf für Pumpspeicherkraftwerke ab. In Norddeutschland erzeugen vor allem Windkraftwerke, aber auch Solaranlagen wachsende Strommengen. Der Ertrag schwankt allerdings erheblich. Solarmodule arbeiten nicht nachts und Windkraftwerke nicht bei Flaute. Umgekehrt kann der Norden Stromschübe bei Starkwind nicht allein verarbeiten. Unternehmen wie E.on Hanse oder Vattenfall Europe müssen mitunter Geld dafür zahlen, dass andere Versorger überschüssigen Strom abnehmen.

Pumpspeicherkraftwerke wie in Geesthacht könnten die kostbare Energie quasi einlagern. Rund ein Drittel des eingesetzten Stroms gehen für das Heraufpumpen des Wassers zwar verloren - aber zwei Drittel kann die Anlage später wieder ins Netz abgeben. Bei modernen Pumpspeicherkraftwerken wie Goldisthal in Thüringen liegt diese Ausbeute gar bei mehr als 80 Prozent. "Das Potenzial von Pumpspeicherkraftwerken in Deutschland ist längst nicht ausgereizt, auch hier am Standort nicht", sagt Groebler. "Wir würden gern mehr ,grünen' Strom ins Netz einspeisen, können aber derzeit nicht."

Das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht wird für die Landesregierung von Schleswig-Holstein zum Politikum - spätestens seit dem Beschluss der Bundesregierung, bis 2022 aus der Nutzung der Atomkraft in Deutschland endgültig auszusteigen. Die erneuerbaren Energien werden künftig einen weit größeren Anteil als heutzutage zur Stromversorgung beitragen müssen. Dafür allerdings braucht man in ganz Deutschland nicht nur neue Windkraftwerke, Solaranlagen, Erdwärmeanlagen oder neue Stromnetze - sondern vor allem auch Stromspeicher. Beim zuständigen Wirtschaftsministerium in Kiel hat man das Problem längst erkannt. Bis zum Jahr 2015 erwartet man einen Ausbau der Windstromkapazität allein aus Windparks an Land in Schleswig-Holstein auf 9000 Megawatt - die Leistung von neun Großkraftwerken. Dem steht zu Spitzenzeiten im Winter nur ein Bedarf von 2000 Megawatt gegenüber. Der Rest müsste in andere Regionen abgeführt oder gespeichert werden.

Eine Befreiung des Pumpspeicherkraftwerks Geesthacht von der Wasserabgabe wird in Kiel bereits diskutiert. Dafür aber müsste wohl das Wasserrecht im nördlichsten Bundesland insgesamt überarbeitet und angepasst werden, auch mit Blick auf das geltende, höherrangige Recht der Europäischen Union. "Geesthacht sollte insofern nicht im Vordergrund stehen, sondern die Befreiung der Wasserkraftnutzung von der Abgabe generell", sagt Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU). "Um eine Novellierung des Gesetzes wird man wohl nicht herumkommen."

Gut möglich, dass im Wasserkraftwerk Geesthacht die Turbinen künftig wieder regelmäßig rauschen. Derzeit, sagt Manager Groebler, beschränke das Unternehmen die Anlage auf Einsätze zur Stabilisierung des Stromnetzes. Auch als Notreserve für komplette Stromausfälle in der Region spielt Geesthacht eine wichtige Rolle. "Für den Wiederaufbau der Stromversorgung nach einem völligen Spannungsabfall auch in Hamburg ist das hier einer der Startpunkte", sagt Groebler.

Das Unternehmen will das Pumpspeicherkraftwerk wieder in regelmäßigen Speicherbetrieb bringen. Wasserkraftspeicher sind im direkten technischen Vergleich die wirtschaftlichste Methode, große Strommengen vorzuhalten. Rund 7000 Megawatt Leistung können Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland derzeit insgesamt liefern, vergleichbar mit der Kraft von sieben Großkraftwerken. Mit insgesamt acht Anlagen in Nord- und Ostdeutschland ist Vattenfall Europe bundesweit nach eigenen Angaben der führende Betreiber. Dazu zählt unter anderem die Talsperre Goldisthal in Thüringen, der stärkste Wasserspeicher in Deutschland mit rund 1000 Megawatt Leistung.

Auch das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht mit derzeit 120 Megawatt ließe sich noch vergrößern. "Mit dem Bau eines zweiten Speicherbeckens und drei weiteren Fallrohren könnten wir die Kapazität der Anlage hier verdoppeln", sagt Groebler. "Die Stadt Geesthacht hat sich kürzlich allerdings dafür ausgesprochen, das Waldstück hinter dem Staubecken nicht für die Energiewirtschaft zu nutzen."