Fluglotsen lassen Arbeitskampf vorerst ruhen. Positionen im Tarifkonflikt liegen aber noch weit auseinander

Hamburg. Urlauber und Geschäftsreisende können vorerst aufatmen. Während der nächsten vier Wochen ist die Gefahr von Streiks der Fluglotsen in Deutschland gebannt. Überraschend riefen die Arbeitgeber in der Nacht zu gestern einen Schlichter in dem Arbeitskampf mit der Gewerkschaft deutscher Fluglotsen (GdF) an - und beendeten damit zugleich ihren eigenen Versuch, die angedrohten Streiks auf juristischem Weg über das Arbeitsgericht zu verbieten.

Mit der Einleitung der Schlichtung gilt ab sofort die Friedenspflicht, die Arbeitskämpfe jeder Art bis zum Ende des Verfahrens vorschreibt. Das befürchtete Chaos an den Flughäfen blieb gestern somit aus. "Am Hamburger Flughafen herrschte Normalbetrieb", sagte die Sprecherin von Hamburg Airport, Katja Tempel, dem Abendblatt.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hoffe, dass in vier Wochen ein Kompromiss gefunden wird, so die Sprecherin Kristina Kelek. Bis Ende der Woche soll der von den Arbeitgebern vorgeschlagene Schlichter, der Münchner Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble, den ersten Termin benennen, danach würden weitere vier Treffen folgen. "Wenn die Schlichtung scheitert", stellt der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Dirk Vogelsang, aber klar, "dann können wir einen neuen Streik ausrufen."

Schlichtungsverfahren sind für Fluglotsen eingeübte Praxis. Bereits sechs Tarifkonflikte wurden über diesen Weg gelöst, sagt der Gewerkschafter Roman Gloeckner. Allerdings liegen die Positionen derzeit weit auseinander. So fordern die Fluglotsen, die Jahreseinkommen von bis zu 120 000 Euro erhalten, weitere 6,5 Prozent mehr Geld. Die Arbeitgeber bieten 3,2 Prozent ab August, 0,8 Prozent eines Jahressalärs als Einmalzahlung sowie ab November mindestens weitere zwei Prozent. Die Arbeitgeber rechnen ihr Angebot unter dem Strich auf linear plus sechs Prozent zusammen, während die Gewerkschafter darin nur ein Angebot von 2,1 Prozent sehen, "das wir nicht akzeptieren können", so Gloeckner.

Entscheidender als das Lohnplus sind für die Fluglotsen aber ihre strukturellen Forderungen. So will die GdF in den Eingruppierungstarifen absichern, dass Führungskräfte auch praktische Erfahrungen als Fluglotsen mitbringen müssen. Dies lehnt die Deutsche Flugsicherung dagegen strikt als Diskriminierung von Beschäftigten und Eingriff in die Unternehmensfreiheit ab. Dies bringe dem Arbeitgeber laut Gewerkschaft Kostensenkungen, da fachfremde Betriebswirte deutlich schlechter bezahlt werden als Fluglotsen. Zudem verlangt die Gewerkschaft für neue Berufe wie Vorfeldlotsen eigene Tarifgruppen. Bisher erhielten diese Beschäftigten nur persönliche Zulagen.

Ob der Arbeitsrechtler Rieble sich als guter Vermittler entpuppt, wird in Arbeitnehmerkreisen mit Fragezeichen versehen. Rieble neigt nicht zu Kompromissen, sondern ist eher ein Mann klarer Worte, nicht selten im Sinne der Arbeitgeber. Im Lokführerstreit vor vier Jahren bezeichnete Rieble die teilweise Erlaubnis des Streiks durch ein Arbeitsgericht als "vollkommen falsch".