Es gibt noch keine Lösung im Tarifkonflikt der Fluglotsen. Reiseveranstalter, Flughäfen und Airlines arbeiten an Notplänen.

Hamburg. Anke W. hatte die Koffer schon gepackt, mit Büchern für den Strand und viel Vorfreude auf das romantische Ferienhaus in der Toskana. Wie ein Schock traf sie dann die Nachricht von den Streiks der Fluglotsen. Die Vorstellung, die gut 1100 Kilometer in den Süden bei einem schlimmstenfalls länger dauernden Ausstand mit dem Auto anzugehen, ohnehin urlaubsreif und auf überfüllten Autobahnen, war keine angenehme. Am Mittwochabend hatte die Zitterpartie überraschend ein Ende. Kurz vor 21 Uhr unterbrach das Radio sein Programm für eine Eilmeldung. Die Fluglotsen hatten den Streik abgesagt, hörte Anke W. erleichtert. Glück gehabt.

Doch schon bald könnte es doch noch zu Arbeitsniederlegungen kommen. "Es wird wohl Anfang nächster Woche wieder so weit sein", sagte Markus Siebers, der Tarifvorstand der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF). Ein Streik soll aber mindestens 24 Stunden zuvor angekündigt werden. Allerdings kann die Deutsche Flugsicherung (DFS), die dem Bund gehört, allein von ihrer Seite aus eine Schlichtung auslösen und damit einen Ausstand unterbinden. Denn während der Schlichtung, für die der Münchner Arbeitsrechtler Volker Rieble schon bereitsteht, herrscht Friedenspflicht.

"Wir werden der Gewerkschaft in der kommenden Woche neue Gespräche anbieten", sagte DFS-Sprecher Axel Raab. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnte die Fluglotsen vor weiteren Streikdrohungen. Das vorliegende Angebot der DFS über insgesamt 5,2 Prozent in zwei Etappen sei eine hinreichende Basis, sich schnell zu einigen. Die GdF fordert dagegen 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Der Konflikt ist also längst nicht ausgestanden. Für Reisende gibt es keine Entwarnung. Bei Reiseveranstaltern, auf den Flughäfen und bei den Fluggesellschaften laufen bereits die Vorbereitungen für einen möglichen Ausstand.

"In solchen Fällen sitzen dann in Hamburg 18 statt 13 Mitarbeiter an den Informationsschaltern und in der Telefonzentrale", sagte Flughafensprecherin Katja Tempel. Auch mit den Restaurants am Airport werde besprochen, wie zusätzliche Gäste rasch versorgt werden könnten. "Dazu stellen wir alle Informationen für die Passagiere ins Internet und bieten sie bei Facebook an", so Tempel. Die notwendigen Änderungen bei den Abflügen müssen jedoch die Fluggesellschaften organisieren.

Beispiel: Air Berlin, mit 170 Flugzeugen Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft. Hier wird bei längeren Streiks, die die großen Umsteigeflughäfen der Gesellschaft Mallorca, Berlin oder Düsseldorf betreffen, ein Krisenraum in der Berliner Zentrale bezogen. Von dort disponieren dann 30 Experten Flugzeiten neu und sorgen dafür, dass auch die Crews bereitstehen. Obwohl gestern nur ein kleiner Krisenstab zusammentrat, sollten aber zwei Flüge nach Ibiza und Mallorca bereits vor den Beginn des geplanten Streiks um 5.30 Uhr in Hamburg starten - und damit eine halbe Stunde eher als sonst wegen des Nachtflugverbots erlaubt. "Weil der Arbeitskampf abgesagt wurde, war dies aber nicht mehr nötig", so Tempel.

Für die Passagiere stellt Air Berlin bei Streiks Informationen nicht nur ins Internet, sondern auch in die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. "Wir bemühen uns um Bustransfers, Mietwagen und mehr Personal an den Flughäfen", sagte eine Air-Berlin-Sprecherin. Dazu gibt es die Vereinbarung mit der Bahn, dass Flugtickets in Fahrkarten umgetauscht werden können. "Wir setzen in solchen Fällen alle Waggons und Lokomotiven ein, die zur Verfügung stehen", so ein Bahnsprecher.

Wie hoch die Kosten für die Krisenbewältigung pro Tag sind, wollte die Air-Berlin-Sprecherin nicht sagen. Dagegen denkt die Lufthansa bereits über eine Forderung auf Schadenersatz nach. Vor besondere Herausforderungen stellt der mögliche Streik Ferienflieger wie Condor oder TUIfly. "Unsere Passagiere sind keine Geschäftsreisenden. Sie können ihren Urlaub nicht per Telefonkonferenz machen oder ihn wie ein Meeting verschieben", sagte ein Condor-Sprecher. Im Fall des abgesagten Streiks hatte die Fluggesellschaft mehr als 4000 Passagiere telefonisch über vorverlegte Flüge informiert und spezielle Einsatzteams an alle betroffenen Flughäfen entsendet. Beim Veranstalter TUI waren 5800 Kunden betroffen.

Die Beeinträchtigungen durch mögliche Streiks sind in der jetzigen Ferienzeit besonders drastisch, weil Flugreisen für die deutschen Urlauber fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Zwar fährt etwa jeder Zweite mit dem Auto, aber bereits gut ein Drittel fliegt an das Urlaubsziel. "Wir haben durchaus Verständnis dafür, dass die Menschen wegen der geplanten Streiks sauer sind", sagte Roman Glöckner, Sprecher der Region Ost der GdF. Aber auch die Fluglotsen hätten das Recht, Forderungen über einen Arbeitskampf durchzusetzen.

Das Plus von 6,5 Prozent auf Spitzengehälter von 120 000 Euro im Jahr rechtfertigt der Gewerkschafter auch damit, dass durch den hohen Stresspegel die Lebenserwartung der Lotsen um zehn Jahre unter dem Durchschnitt liege. "Unsere Kollegen haben zudem bundesweit die höchste Scheidungsrate."