In der ARD-Reportage “Das Hermes-Prinzip“ berichten Autoren über mögliche Lohndrückerei. Hermes wehrt sich gegen diese Vorwürfe.

Hamburg. Der Hamburger Paketdienstleister Hermes sieht sich dem Vorwurf der Lohndrückerei ausgesetzt. In der ARD-Reportage "Das Hermes-Prinzip" berichten die Autoren über Mitarbeiter von Subunternehmern, die nur 60 Cent pro ausgeliefertem Paket verdienen. Nach einem Zehn-Stunden-Tag käme einer von ihnen gerade einmal auf einen Verdienst von 60 Euro, heißt es in der Vorankündigung zu dem Bericht, der gestern Abend ausgestrahlt werden sollte. Fast die Hälfte von diesem Verdienst gehe noch für Sprit und das Auto drauf, das die Boten selbst bezahlen müssten.

Die weiteren Vorwürfe: Paketboten müssten pausenlos arbeiten und führen oftmals zu schnell, um "wenigstens das Existenzminimum einzufahren". Hätten die Boten Pech und die Empfänger seien nicht da, bekämen sie gar kein Geld. Werde falsch oder zu spät abgeliefert, drohten ihnen Strafabzüge von bis zu 100 Euro.

Hermes wehrt sich gegen den Vorwurf der Ausbeutung, bestreitet aber nicht, dass es unter den 428 Subunternehmen mit 13 000 Zustellern, die für die Otto-Tochter arbeiten, gelegentlich zu einem Fehlverhalten kommt.

"Wir können nicht ausschließen, dass in einigen Fällen zu geringe Löhne gezahlt werden", sagt Unternehmenssprecher Martin Frommhold dem Abendblatt. "Doch wenn wir davon erfahren, wirken wir auf höhere Löhne hin oder beenden das Geschäftsverhältnis mit den betroffenen Firmen." Zudem gebe es seit fünf Monaten einen Ombudsmann, an den sich Zusteller bei Problemen wenden könnten. Ein Verhaltenskodex von Hermes verpflichtet die Subunternehmer ausdrücklich dazu, dass "die den Beschäftigten gezahlte Vergütung mindestens einer etwaigen gesetzlichen oder der in der KEP-Branche (Kurier, Express und Paketdienste) üblicherweise gezahlten Entlohnung entspricht".

Laut Frommhold hält Hermes eine Entlohnung von 90 Cent pro Paket für auskömmlich. Bei 130 bis 140 ausgelieferten Sendungen ergibt sich daraus ein Verdienst von 117 bis 126 Euro pro Tag. "Wir selbst zahlen den Subunternehmen zwischen 1,30 und 1,40 Euro pro Paket, das sollte ausreichen, um die Mitarbeiter anständig zu entlohnen."

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kritisiert generell die in der Paketbranche verbreitete Praxis, Sendungen kaum noch mit eigenem Personal zuzustellen. Auf diese Weise werde das tariflich vereinbarte Monatsgehalt von 1800 Euro brutto unterlaufen. "Das System der Subunternehmen als solches ist das Problem, weil es die Risiken auf die Zusteller abwälzt", sagt der für die Branche zuständige Sekretär Lars-Uwe Rieck. Dies sei nicht nur bei Hermes, sondern auch bei anderen privaten Paketunternehmen wie DPD oder GLS der Fall. Lediglich die Deutsche Post setze noch zu 90 Prozent eigene Zusteller ein. Abhilfe könnten nur eine Abkehr von der bisherigen Praxis oder ein gesetzlicher Mindestlohn schaffen.

Die privaten Paketdienstleister wollen aber trotz der Kritik an dem bestehenden System festhalten. "Die Subunternehmer können viel besser als wir auf Schwankungen des Geschäfts reagieren", sagt Hermes-Sprecher Frommhold. Außerdem hätten sich Qualität und Kundenzufriedenheit verbessert, seit man mit Subunternehmern arbeite.