Vorwerk eröffnet in Hamburg weltweit erste Filiale. Gründe: der schwache Absatz in Deutschland und fehlender Vertreternachwuchs.

Hamburg. Der Suchbegriff "Staubsaugervertreter" wirft bei Google allerlei Überraschungen aus. Es gibt Witze über Staubsaugervertreter mit der Pointe, dass nach dem Ausbringen des Probedrecks auf dem Teppich plötzlich kein Strom vorhanden ist. Arbeitslose tauschen sich in Foren aus, wie sie sich am besten um das Jobangebot "Staubsaugervertreter" bei der Agentur für Arbeit herumschummeln können. Es fallen unschöne Begriffe wie Treppenterrier und Teppichfuzzi.

"Der Beruf des Staubsaugervertreters ist nicht so positiv belegt", formuliert Reiner Strecker vorsichtig. Dabei ist der geschäftsführende Gesellschafter von Vorwerk auf die Außendienstler angewiesen wie der Staubsauger auf die Steckdose, doch er findet keine Vertreter mehr. 2500 Kundenberater beschäftigt Vorwerk bundesweit, in Hamburg sind es 40, nötig wäre jeweils die doppelte Zahl. Die Folge sind sinkende Marktanteile des Vorwerk Kobold in Deutschland. Unter zehn Prozent ist die Marke bei Staubsaugern gerutscht, vor 20 Jahren besaß jeder vierte Haushalt einen Kobold, aus dieser Zeit stammt auch Loriots Heinzelmann-Sketch, mit dem der Kobold in die Geschichte des deutschen Humors einging.

"Jetzt haben wir die Talsohle erreicht", sagt Strecker. In der Aussage des 50-Jährigen, der früher bei British American Tobacco an der Alster arbeitete, schwingt Hoffnung mit. Immerhin plant Strecker nun aber eine Revolution im Kobold-Vertrieb. Die Wende soll wie der Manager aus Hamburg kommen. In 1a-Lage am Jungfernstieg baut das Unternehmen einen 300 Quadratmeter großen Staubsaugerpalast. Das Besondere: Der Kunde kann hier seinen Lieblingsstaubsauger direkt kaufen. Bisher musste er zu Hause auf den Vorwerk-Vertreter warten, der ihm das Gerät zunächst vorführte.

Die Großfiliale soll auf zwei Etagen neugierig machen auf die saugenden und mixenden Vorwerk-Produkte, denn das Unternehmen hat neben dem seit 1930 mehr als 80 Millionen Mal verkauften Kobold auch eine wiegende, zerkleinernde und rührende Luxusküchenmaschine "Thermomix" für 985 Euro im Programm. Bisher klebt nur eine großformatige Fensterfolie in Vorwerkgrün auf den Scheiben. "Hier entsteht der weltweit erste Flagshipstore", lesen Passanten auf dem Sichtschutz, im Oktober soll es hier losgehen.

"Der Shop zahlt dann auch auf das Image der Marke ein", hofft Strecker und dürfte dabei an das angestaubte Vorwerk-Design denken, während die Käufer der Konkurrenz heute meist sportwagenähnliche Geräte über den Teppich ziehen. Die Kunden sollen in dem neuen Staubsaugerparadies neugierig werden, müssen aber nicht sofort zuschlagen. "Wir wollen das Produkt nicht aus dem Karton heraus verkaufen", sagt Strecker. Selbstverständlich kann der Kunde für sich zu Hause auch einen Termin mit einem Vertreter vereinbaren. Der Hintergedanke: Nur wer restlos überzeugt vom Kobold ist, kommt auch auf die Idee, das Gerät weiterzuempfehlen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist schließlich Werbeinstrument Nummer eins für Vorwerk.

Nach und nach will Vorwerk dann auch die bundesweit gut 140 Serviceläden zu Verkaufsstellen für den Kobold ausbauen. Mit dieser kleinen Marketingrevolution will Vorwerk in den nächsten fünf Jahren wieder zehn bis 15 Prozent Marktanteil erreichen. Eine Kannibalisierung ihres eigenen Geschäfts müssen die Vertreter aber nicht befürchten. Sie bekommen eine Provision, sobald ein Produkt in ihrem "Jagdgebiet" verkauft wird, ob nun im Shop oder durch ihr eigenes Bemühen.

Vorwerk ist sich bewusst darüber, dass die Firma beim Ausbau des stationären Vertriebs einen Drahtseilakt wagt - es wäre fatal, wenn sich weitere Vertreter aus dem Staub machten. Auf sie zu verzichten würde den sehr erklärungsbedürftigen Putzteufel praktisch unverkäuflich machen. "Bei Saturn oder Aldi kaufen Sie keinen Staubsauger für mehr als 500 Euro", weiß auch Strecker, der selbst am liebsten auf Stereoanlagen und Computertastaturen saugt. Die Vertreter bleiben wichtige Säule des Verkaufs, sind selber allerdings unzufrieden. Kaum jemand öffne in der anonymen Gesellschaft noch gerne die Haustür, beklagen sie in den Internetforen, der Lohn reiche für die weniger gewieften Verkäufer kaum zum Leben. Auch Strecker gibt zu, dass die Gehaltsgrenze, die Vorwerk bei seinen Vertrieblern nicht unterschreiten darf, bei 20 000 Euro liegt. "Das ist bei einer Familie Hartz-IV-Niveau", sagt der Vater von zwei Kindern über die Berater.

Weltweit arbeiten immerhin 600 000 Menschen als Vertreter für Vorwerk, und in Übersee erscheint die Absatzstrategie in ganz anderem Licht. So sind die Küchenpartys der Thermomix-Vertreterinnen mancherorts ein Schritt zu mehr Emanzipation. "In der Machogesellschaft Lateinamerikas versetzen wir Frauen in die Lage, von zu Hause aus etwas eigenes Geld zu verdienen", wirbt Strecker und nennt Erfolgszahlen aus Brasilien. Weltweit war 2010 sogar das beste Jahr der Firmengeschichte, weil Vorwerk in vielen europäischen Ländern und in den USA erfolgreich ist. Auch in Asien will das Unternehmen, das einen großen Teil der Produkte noch in Deutschland fertigt, mehr Kunden gewinnen.

Staubsaugervertreter sucht Vorwerk daher auch in China. Die Marke ist im Reich der Mitte sehr begehrt, immer wieder tauchen dort sogar gefälschte Kobolde auf. Und in China reißen sich die Bewerber um den Job.