Michael Peters ist Staubsaugervertreter. Eine Tagestour durch ein letztes Reservat des Kundenkontakts in Zeiten der Technikmärkte.

Wenn er bei seinen Kunden vorfährt, lässt Michael Peters den Tiger und den Kobold raus. Die liegen im Kofferraum seines schwarzen Opel Insignia, sorgsam verstaut in Rollkoffern. Der Tiger 260 und der Kobold 140 sind die jüngsten Typen in der umfangreichen Modellpalette der Firma Vorwerk. Und Michael Peters ist der Vorwerk-Mann von Fehmarn - Staubsaugervertreter.

Michael Peters hat kein Problem mit der Berufsbezeichnung. Eigentlich nicht. "Ich stehe dazu", sagt er, obwohl er sich selbst lieber Kundenberater nennt. Vertreter klingt ihm zu negativ, irgendwie. Früher kamen fahrende Händler in Scharen an die Tür, boten Abonnements, Messer, Töpfe, Bürsten, Kämme und Scheren feil, manchmal mit dubiosen Methoden. Aber das war in einem Land vor Peters' Zeit.

Peters ist erst 35 Jahre alt. Er hat dunkelblonde Haare, einen sorgfältig getrimmten Bart, trägt zum dunklen Anzug eine hellblau gestreifte Krawatte. Seine Schuhe glänzen. Er hat ein freundliches Gesicht.

Sein Arbeitstag beginnt um 9.30 Uhr morgens. Es ist kalt und neblig auf Fehmarn, dennoch verzichtet Peters auf einen Mantel. Seine erste Kundin, sie heißt Birgit Beck-Broichsitter, wartet schon. Vor wenigen Wochen hat sie einen Kobold 140 bei Peters bestellt, jetzt ist das neue Gerät da. Man könnte meinen, Peters Job wäre damit beendet. In Wahrheit fängt der jetzt erst richtig an: Der gewissenhafte Kundenberater wird seiner Kundin ihr neues Gerät vorführen. Einweisung nennt Peters das. Er packt den Kobold 140 aus dem Karton, erklärt Frau Beck-Broichsitter die Stufen 1, 2, 3 und Automatik und zeigt ihr, wie sie den Beutel wechseln muss. TÜV-geprüft sei der auch, "übrigens als einziger Staubsaugerbeutel weltweit". Frau Beck-Broichsitter ist beeindruckt.

Als Peters beginnt, ihr die vielen Extras vorzuführen, verwandelt sich Frau Beck-Broichsitters Verwunderung rasch in sichtbare Begeisterung. Zum Beispiel über den "Gelenkaufsatz mit aufziehbarer flexibler Verlängerung", der in jede Ecke vordringt. Oder die Bohrstaubdüse für sauberes Heimwerken. "Und das hier ist ein praktischer Fußleistenpinsel", sagt Peters. In Deutschland scheint es für so etwas Bedarf zu geben.

Danach führt er Frau Beck-Broichsitter den Polster-Boy vor, einen Aufsatz speziell fürs Sofa. Und eine weitere Bürste - für den Fernseher. "Die ist extra dafür gemacht, Frau Beck-Broichsitter. Antistatisch ist die", meint er. Aber nun müsse er weiter.

Kurze Zeit später sitzt Peters wieder in seinem Auto. Sie habe zwar schon alles, aber das mache nichts: "Jetzt hat sie mich kennengelernt", sagt er zufrieden. "Demnächst fahre ich noch mal bei ihr vorbei und schenke ihr zwei Beutel. Da freut sie sich." Und kauft vielleicht weiteres Zubehör. Demnächst soll ein Fensterputzgerät von Vorwerk rauskommen. Das wäre doch was.

Seine Karriere als Staubsaugervertreter begann vor 14 Jahren im Ruhrgebiet. Seinen ersten Vorwerk verkaufte er einer russischen Auswandererfamilie in Recklinghausen, die ihre Wohnung noch mit dem Besen fegte. Bis Michael Peters kam, das Naturtalent. Schon als Jugendlicher hatte er das Verkaufen geübt, an Wochenenden auf dem Flohmarkt, dann eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht und ein paar Jahre bei Karstadt gearbeitet. Doch das wurde ihm zu langweilig. Er ging zur Firma Vorwerk, wo seine Mutter im Büro arbeitete. Einen Tag lang lief er mit einem anderen Vertreter mit, dann versuchte er es allein. Vor einem halben Jahr ist er mit Frau und zwei Kindern nach Fehmarn gezogen. Gerade war der Vertreter auf Deutschlands zweitgrößter Insel gestorben, im Amt. Über 40 Jahre hatte er den Job gemacht. Jeder dritte Haushalt auf Fehmarn war angeblich Vorwerk-Kunde. Gute Startbedingungen für den Nachfolger Peters.

Wie viel er verdient, sagt er nicht, auch nichts über seine Provisionen. Einer Studie der Fachhochschule Worms zufolge verdienen Staubsaugervertreter je nach Produkt zwischen 15 und 40 Prozent mit, hauptberufliche Kundenberater kommen auf einen Brutto-Monatsverdienst von 6000 Euro.

Vorwerk hat das Vertretersystem modifiziert. Die berüchtigte und unbeliebte "Kaltaquise", das Klingeln bei fremden Leuten an der Haustür, funktionierte immer seltener. Also wurde umstrukturiert. Bundesweit arbeiten jetzt etwa 2500 Vertreter für das renommierte Unternehmen. Sie betreuen alle ein bestimmtes Gebiet, das Wildern in fremden Revieren ist tabu. Umsatz wird vor allem mit Alt-Kunden gemacht, die bereits Vorwerk-Produkte besitzen, neue bekommen oder mit Zubehör nachrüsten. Im Internet offeriert Vorwerk seine Produkte nur halbherzig. Nach wie vor setzt das Unternehmen auf den guten Ruf, den die Marke genießt, auf Mund-zu-Mund-Propaganda und letztlich natürlich auf den professionellen Charme der Vertreter.

"Noch ein halbes Jahr, dann kennt mich hier auf Fehmarn jeder", sagt Peters auf dem Weg zur nächsten Kundin. Susanne Skerra, Chefin des Hotels Wisser's in Burg, hat im vorigen Jahr gleich sechs Vorwerk-Staubsauger gekauft, vier Kobolde und zwei Tiger. Jetzt steht Peters im Gastraum und führt ihr das Poliergerät Polylux vor: "Schau mal, Susanne. Das sind die Polierbürsten." Frau Skerra betrachtet den Aufsatz mit Skepsis: "Brauch ich nicht." Aber schon hat Peters die Wachsemulsion auf dem PVC-Boden verteilt. Dort müsse man die Emulsion jetzt einarbeiten. Nach 20 Minuten könne man dann polieren. Beiläufig, aber allseits hörbar, erzählt Peters der Chefin, dass es neuerdings im Internet einen Film über ihn gebe, auf YouTube.

Frau Skerra zeigt sich beeindruckt vom aufgehübschten Boden ihres Schankraums. Sie nimmt den Polieraufsatz für 339 Euro: "Gut, Herr Vorwerk. Dann machen wir das mal." Hartnäckigkeit zahlt sich aus.

In Gammendorf betreibt die Familie Micheel ein Cafe. Peters hat sich zu einer "Inspektion" ihres alten Tiger-Saugers angemeldet. Der sei "nicht mehr so ganz taufrisch", sagt er. "Der neue Kobold ist der Hammer. Fahren Sie doch mal Probe. Im Wisser's haben die vier Stück davon."

Ulrike Micheel testet den Kobold. Da, wo sonst der Staubsaugerbeutel klemmt, hat Michael Peters ein grünes Tuch eingelegt. So kann er den Staub sichtbar machen, den das Gerät aufsaugt. Nach ein paar Minuten sieht das Tuch aus, als käme es direkt aus einer Sandkiste. "Haben Sie Allergien?", fragt Peters. "Hausstaub, mein Mann", antwortet Frau Micheel. Der Vorwerk-Mann nickt wissend. "Da habe ich was für Sie." Er schüttet ein weißes Pulver auf den roten Teppich. Das bindet den Fettschmutz, doziert der Berater. 962 Euro soll der neue Staubsauger kosten. Ulrike Micheel will "eine Nacht drüber schlafen". Am nächsten Tag werden die Micheels nicht nur den Kobold kaufen, sondern auch noch den Polylux.

Natürlich läuft das nicht immer so gut. Das wird an der nächsten Haustür deutlich. "Ich lass mir nicht so gerne etwas an der Tür andrehen. Und Vorwerk ist außerdem sehr viel teurer als andere Hersteller", sagt Doris Kollwer. Michael Peters merkt rasch, dass Frau Kollwers Gatte Ulrich entspannter wirkt. Und interessierter. Er freut sich über die kostenlose "Jahresinspektion".

Peters packt seinen Kobold aus, saugt den Teppich, zeigt das staubige grüne Tuch, holt den Polster-Boy hervor, saugt das Sofa. "Donnerwetter", sagt Herr Kollwer, "das haben Sie ja toll gemacht." "Trotzdem kaufen wir heute keinen neuen Staubsauger", sagt Doris Kollwer tapfer.

Peters wird nicht aufgeben. Am nächsten Tag will er das Ehepaar noch mal besuchen und ihnen gratis ein paar Flecken aus dem Teppich zaubern. "Dann kaufen die", sagt er.

Bis zu 20 Geräte setzt er jede Woche ab, sagt er. Michael Peters hat bereits ein Haus auf Fehmarn gekauft. Hier gefällt es ihm. Die Luft ist gut. Er will hier bleiben. Und im Sommer einen Kundenstamm auch auf dem Festland aufbauen. Neulich habe er schon mal den Markt in Heiligenhafen angetestet, sagt er. "Da habe ich verkauft wie ein Weltmeister."