Die Hamburger Baumarktkette leidet unter Krise beim Mutterkonzern Praktiker und muss Personal abbauen. Der Betriebsrat ist in Sorge.

Hamburg. Praktiker-Chef Wolfgang Werner hatte es kommen sehen. In einer dürren Pflichtmitteilung für die Börse gab Deutschlands zweitgrößte Baumarktkette in der vergangenen Woche den bevorstehenden Rücktritt des Konzernchefs bekannt. Er wolle das Unternehmen nur noch so lange führen, bis ein Nachfolger für ihn gefunden sei, ließ Werner ausrichten.

Gestern nun lieferte der Mutterkonzern der Hamburger Baumarktkette Max Bahr die Begründung für den überraschenden Schritt nach: Der Strategiewechsel weg vom Preisbrecherimage, hin zu mehr Qualität und Beratung funktioniert nicht. Trotz besten Grill- und Gartenwetters ist Praktiker im zweiten Quartal dieses Jahres tief in die roten Zahlen gerutscht. Insgesamt machte der Konzern zwischen April und Juni einen Verlust von 307,1 Millionen Euro. "Enttäuschend" nannte Noch-Chef Werner die Entwicklung. An der Börse stürzte die Aktie zeitweilig auf ein Allzeittief.

Praktiker hatte sich zu Beginn dieses Jahres von seinen bekannten "20 Prozent auf alles"-Rabattaktionen verabschiedet. Der legendäre Werbespruch ("... außer Tiernahrung") verschwand, weil sich das Unternehmen mit den massiven Preisnachlässen selbst an den Rand der Existenzfähigkeit gebracht hatte. Stattdessen wurde Tennisidol Boris Becker als Vorzeigeheimwerker engagiert und die Praktiker-Märkte übersichtlicher und kundenfreundlicher gestaltet.

Doch bei den rabattverwöhnten Kunden sind diese Veränderungen nicht angekommen. Die Neupositionierung habe ihre Wirkung auf Umsatz und Ertrag bislang nicht so entfaltet wie erwartet, bekannte der Praktiker-Chef selbstkritisch. Während die gesamte Baumarktbranche im zweiten Quartal deutlich zulegen konnte, sank der Konzernumsatz bei Praktiker um fast acht Prozent. Nun will der scheidende Chef das Tempo des Umbaus forcieren. Auch die Schließung unprofitabler Märkte und der Rückzug aus einzelnen Ländern ist nicht ausgeschlossen, wie Finanzvorstand Markus Schürholz sagte.

Das Hauptproblem von Praktiker besteht nach Einschätzung von Experten darin, dass die ehemalige Tochter des Metro-Konzerns nicht vornehmlich aus eigener Kraft gewachsen, sondern durch Zukäufe groß geworden ist. "Das Filialnetz ist sehr heterogen", sagt Christoph Schlierkamp, Analyst des Bankhauses Lampe. Viele der 440 Märkte seien klein und unübersichtlich und befänden sich zudem an wenig attraktiven Standorten. Daher sei es extrem schwierig, die Kette neu auszurichten.

In diesem unübersichtlichen Sammelsurium stehen die 78 Baumärkte der Hamburger Kette Max Bahr noch am besten dar. Praktiker hatte das Traditionsunternehmen 2007 übernommen und führt die Kette seitdem als weitgehend eigenständige Premiummarke. Den Hanseaten gelang es im Vergleich zu den Praktiker-Märkten im zweiten Quartal immerhin, den Umsatz mit gut 203 Millionen Euro nahezu stabil zu halten. Der operative Gewinn ging allerdings um fast die Hälfte auf knapp zehn Millionen Euro zurück. Der Grund: Max Bahr musste einerseits einen Beitrag zum Umbau der Praktiker-Märkte leisten, andererseits wurden aber auch die Aussichten für die weitere Geschäftsentwicklung pessimistischer als zuvor eingestuft, was zu Wertberichtigungen des Anlagevermögens und zu höheren Rückstellungen führte.

Angesichts der insgesamt schlechten Konzernzahlen wächst beim Hamburger Betriebsrat von Max Bahr nun die Sorge um die Beschäftigten beim einstigen Traditionsunternehmen. "Der Abbau von Arbeitsplätzen ist immer das Erste, was der Konzernleitung einfällt, wenn gespart werden muss", sagte der Betriebsratsvorsitzende von Max Bahr, Ulli Kruse, dem Abendblatt. Schon in diesem Frühjahr habe das Unternehmen aus Kostengründen verstärkt auf den Einsatz von Leiharbeitern gesetzt, was zum Abbau von zahlreichen Vollzeitstellen geführt habe. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der Max-Bahr-Mitarbeiter im ersten Halbjahr 2011 um 160 auf 2915. Im Gesamtkonzern ging die Zahl der Beschäftigten im selben Zeitraum um 1416 auf 20 446 zurück.

Nach den Worten von Praktiker-Sprecher Harald Günter ist nicht auszuschließen, dass es auch in Zukunft zu weiteren Stellenstreichungen kommt. Bei Max Bahr seien die gesunkenen Mitarbeiterzahlen aber auch dadurch zu erklären, dass Beschäftigte in andere Abteilungen des Konzerns versetzt worden seien. Bislang seien die Jobs zudem überwiegend sozialverträglich abgebaut worden.