Die Hamburger Einzelhändler reduzieren schon um bis zu 70 Prozent. Dabei gibt es den Sommerschlussverkauf seit zehn Jahren nicht mehr

Hamburg. Der Urlaub ist nicht fern, ein neues Outfit für den Strand wäre schön, und der Blick auf die Preise zauberte gestern selbst so manchem (männlichen) Einkaufsmuffel ein leises Lächeln aufs Gesicht. Sandalen gibt es bei Görtz derzeit schon für 19,95 Euro statt für 29,95 Euro, im Alsterhaus sind bunte Badetücher reduziert. Und wer ein T-Shirt zum Preis einer Kugel Eis haben will, geht nebenan zu H&M: Für nur einen Euro gibt es dort das sonnengelbe Baumwollshirt, das am Eingang der Filiale die Käufer in den Laden locken soll.

Sommer, Sonne, Schlussverkauf, dieser Dreiklang führt in diesen Tagen wieder Tausende Schnäppchenjäger in die Hamburger Innenstadt und die Einkaufszentren. 70 Prozent Nachlass sind keine Seltenheit.

"Durch das regnerische Wetter haben die Händler Sommerware in den vergangenen Wochen extrem schlecht verkauft", sagte der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbandes, Wolfgang Linnekogel. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten manche Geschäfte ein Minus von mehr als zehn Prozent. In der Folge werben bereits etliche Shops mit roten "Sale"-Aufklebern an den Schaufenstern. "Für die Kunden ist es derzeit wie im Paradies", sagt Linnekogel. Und das nicht erst seit dieser Woche, hat man den Eindruck.

Wann beginnt der Sommerschlussverkauf eigentlich genau, und wann hört er auf? Diese Frage ist zehn Jahre nach dem Fall des Rabattgesetzes in Deutschland nicht mehr so einfach zu beantworten. Experten beobachten eine regelrechte Inflation an Preisnachlässen, die auf die Verbraucher zukommt. "Die Rabattaktionen beginnen immer früher. Man kann es auch anders sagen: Sie hören gar nicht mehr auf", sagt der Deutschland-Chef der Werbeagenturgruppe Grey, Uli Veigel. Es gehe längst nicht mehr nur um Sommermode, die zum Saisonende mit Prozenten verkauft wird. Rabatte gebe es heute in verschiedenen Formen - vom Rabattmarkenheft über Bonussysteme bis hin zu Vorteilen für eine Weiterempfehlung im Internet. "Wir haben ganz eindeutig eine Rabatt-Inflation", meint Veigel. Das Schnäppchen-Portal Groupon sieht der Werbeexperte als ein Paradebeispiel für das stark wachsende Angebot. Neurowissenschaftler sagen, Rabattaktionen aktivierten das Belohnungszentrum im Kopf.

"Sommerschlussverkauf und Winterschlussverkauf stammen noch aus einer Zeit, in der die Textilwirtschaft in zwei Saisons gedacht hat. Heute gibt es sechs, acht oder mehr Kollektionen im Jahr", ergänzt Handelsexperte Thomas Harms von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Zwei Termine für Schlussverkäufe reichten deshalb nicht mehr aus. Reduzierte Ware könne man heute zu jeder Zeit finden.

Dennoch seien SSV und WSV weiter wichtig, um die Lager zu räumen. Mit Rabatten vor den gewohnten Terminen der Schlussverkäufe versuchten Unternehmen, die Kauflust frühzeitig auf sich zu ziehen und damit noch größere Preisabschläge bei einem Teil der Ware zu vermeiden. "Der Handel hat kein Interesse daran, Produkte zu verramschen, aber saisonal bedingt Kundenanreize zu geben", betont Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland. In Zeiten des Rabattgesetzes seien Preisnachlässe stark reglementiert gewesen, der Fokus habe auf den Schlussverkäufen gelegen. Diese seien noch in den Köpfen der Kunden.

Heute gebe es über das ganze Jahr vielfältige Rabattformen. Die Preisaktionen im Sommer richteten sich in vielen Bundesländern nach dem Ferienbeginn. "Die aktuellen Nachlässe leiten den Sommerschlussverkauf ein, der Ende Juli sein Finale hat."

Auch in Hamburg ist noch Luft nach oben. Für shoppinggeplagte Ehemänner und Mütter modebewusster Töchter gibt es daher noch keine Entwarnung: "Wir werden weiter reduzieren, bis Anfang August", sagte gestern eine H&M-Verkäuferin.