Die Hälfte der 20 kreativsten Werbeagenturen kommen aus Hamburg. Sie räumen immer mehr Preise ab. Jung von Matt rangiert an der Spitze

Hamburg. "Wohnst du noch oder lebst du schon?", Geiz ist geil!" oder "Wer hat's erfunden?", diese Slogans werden so sicher in die Geschichte der deutschen Werbung eingehen wie die Alster in die Elbe fließt - und sie wurden allesamt von Hamburger Werbetextern erdacht.

Schon seit Jahrzehnten glänzt Hamburg als Heimat exzellenter Werbung, die Gründung von Springer & Jacoby galt als eine der Initialzündungen für die Erfolge der Kreativen in der Hansestadt, und jetzt rückt die Branche erneut in den Fokus: Nach einer aktuellen Studie kann Hamburg seine Position als kreative Hochburg in diesem Jahr sogar noch einmal ausbauen.

Die Hälfte der derzeit 20 kreativsten Agenturen Deutschlands hat in der Hafenstadt ihren Hauptsitz, und damit drei mehr als 2010. Unter den Top 5 der Kreativagenturen stammen allein drei aus Hamburg. Danach folgen mit deutlichem Abstand Frankfurt und Berlin mit jeweils drei Agenturen. Aus Düsseldorf stammen zwei, aus München und Stuttgart jeweils eine. Das Ranking ist das Ergebnis einer in der Branche viel beachteten Auswertung von 50 Kreativwettbewerben durch den Dienstleister Red Box.

Einen deutlichen Vorsprung hat sich einmal mehr die Hamburger Jung-von-Matt-Gruppe erarbeitet. Sie setzt sich mit 1163 Punkten im Ranking vom Verfolger ab, der Münchner Serviceplan (560 Punkte). Bereits 2010 und 2009 stand sie im Ranking auf Platz eins. "Natürlich ist das jedes Jahr eine gewaltige Herausforderung, es überhaupt in die Top 3 zu schaffen", freut sich Jung-von-Matt-Kreativvorstand Armin Jochum. "Den Spitzenplatz in Serie zu verteidigen ist noch schwerer - und gelingt nur mit Unterstützung mittelgroßer Marienwunder", witzelt der Werber. Schließlich musste Jung von Matt in den vergangenen Monaten zugleich einen einschneidenden Wechsel an der Spitze verkraften. Mitgründer Holger Jung, 57, wechselte vom Vorstand in den Aufsichtsrat - und an die Spitze des Vorstands rückte Peter Figge. Bei Springer & Jacoby hatte der Managementwechsel seinerzeit zu dramatischen Turbulenzen geführt.

Überraschender als Rang eins und Rang zwei - auch Serviceplan hatte diesen bereits im vergangenen Jahr inne - ist die drittplatzierte Agentur: Nach Heimat aus Berlin 2010 nimmt nun kempertrautmann aus Hamburg auf dem Treppchen Platz. Die Agentur legte im vergangenen Jahr eine Auszeit von allen Wettbewerben ein, um in ihre Digitalisierung zu investieren. Diese Maßnahme zahlt sich nun aus, denn kempertrautmann ist insbesondere mit digitalen Arbeiten erfolgreich, unter anderem für den Kunden Edding.

Grund zur Freude gibt es auch bei Grabarz & Partner aus Hamburg. Die Agentur schafft es auf die vierte Position, zum Halbjahr 2010 war es noch der zehnte Platz. Neben Radiospots für die Modern Music School und Galaxxy Pet Food sind vor allem Ikea-Maßnahmen für den Erfolg verantwortlich. Kreativdirektor Timm Weber von Grabarz & Partner zu seinem Verständnis guter Werbeideen: "In einer Welt, in der es schon alles gibt, müssen wir immer neue Kombinationen finden, Kontraste schaffen und vor allem eines: die Kunden immer wieder überraschen."

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) würdigt die Kreativwettbewerbe als wichtigen Bewertungsmaßstab für die Branche. "Die Wettbewerbe bieten eine Messlatte für die Leistungskraft der Werbewirtschaft", sagte Verbandssprecher Volker Nickel dem Abendblatt. Auch international schauten viele Insider mit Bewunderung auf die deutsche Werbung, besonders auf die Anzeigen.

Die gute Platzierung der Agenturen an der Alster verbessere zudem ihre Chancen bei der Suche nach dem besten Nachwuchs. "Aber auch die besondere Kombination aus journalistischer Kreativität, der Verlagswirtschaft und der Werbewirtschaft führt zu einer Sogwirkung in Hamburg", sagt Nickel.

Die Zahl der Werbeagenturen in der Hansestadt nimmt derzeit weiter zu, sagte Medienexperte Ulrich Brehmer von der Handelskammer. Inzwischen arbeiteten gut 2800 Unternehmen in der Kreativwirtschaft, und wie im gesamten Dienstleistungssektor wachse die Branche insbesondere durch Ausgründungen.