Trotz des Fachkräftemangels dauert die Jobsuche selbst für Hamburger Flugzeugspezialisten oft mehrere Monate.

Hamburg. Er hat einen in Hamburg gesuchten Beruf: David L. ist Flugzeugmechaniker mit mehrjähriger Erfahrung bei Airbus. Auch nachdem er im Februar 2010 als Zeitarbeiter im Rahmen des Sparprogramms Power8 gehen musste, bildete er sich weiter. Über einen Lehrgang und ein sechsmonatiges Praktikum bei Airbus erwarb er die Lizenz als CAT-A Mechaniker. Damit darf er nun nicht nur Flugzeuge bauen, sondern auch bereits eingesetzte Jets warten und instand setzen.

Solche Spezialisten gelten in Hamburg, dem drittgrößten Luftfahrtstandort weltweit, als schwer zu bekommen. 160 Tage statt im bundesweiten Durchschnitt 58 Tage für alle Berufe dauert es, bis Firmen Experten für solche Stellen finden, hat die Arbeitsagentur ermittelt. David L., der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung veröffentlicht haben möchte, ist so einer. Doch das nützte ihm wenig. "Ich habe meine Unterlagen verschickt und bin bei mehreren Vorstellungsgesprächen gewesen", sagt der 43-Jährige. Doch danach passierte nichts. Seit Februar 2011 ist der Engländer, der mit seiner Frau in Halstenbek vor den Toren Hamburgs lebt, arbeitslos.

Sein Fall wirft ein neues Schlaglicht auf den von vielen Branchen beklagten Mangel an Fachkräften. Nach Berechnungen der Arbeitgeberverbände BDI und BDA sollen derzeit allein im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich gut 150 000 Experten fehlen. Gerade für diese Experten seien aber Firmen oft nicht bereit, ausreichend hohe Gehälter bereitzustellen, mahnen Wissenschaftler. "Zwar sollen oftmals qualifizierte Mitarbeiter eingestellt werden. Die Firmen wollen aber häufig nicht die üblichen Tarife oder mehr bezahlen", sagt Alexander Herzog-Stein, Leiter des Referats Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitforschung im Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

So war David L. einem Kunden der Stegmann Aircraft Maintenance schlichtweg zu teuer, wie eine Mitarbeiterin aus der Personalbeschaffung der Zeitarbeitsfirma dem Abendblatt bestätigte. Nach der zweiten Verhandlungsrunde habe der Interessent schließlich abgesagt. Dabei hätte David L. sogar einen Stundensatz von 12,57 Euro akzeptiert, der noch deutlich unter den 16,05 Euro liegt, die einem gerade ausgelernten Flugzeugmechaniker nach dem Tarif der Gewerkschaft IG Metall zustehen. "Solche Entscheidungen von Kunden sind kein Einzelfall. Die Firmen greifen dann vermutlich auf weniger qualifizierte Mitarbeiter zurück, die sie weiterbilden", sagt ein Personalvermittler bei Stegmann. Das Unternehmen vermittelt Mechaniker nach dem Tarif des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Danach erhalten Facharbeiter mit mehrjähriger Berufserfahrung 10,41 Euro pro Stunde. "Wir hätten aber versucht, noch mehr herauszuholen", so die Zeitarbeitsfirma. Wie sich dies auf die Erträge des Vermittlers auswirkt, bleibt offen. "Die Gewinnaufschläge sind ein wohlbehütetes Geheimnis der Branche", sagt Herzog-Stein.

Klar ist für das WSI jedoch: Die Löhne ziehen derzeit nicht so stark an, wie es der von Firmen immer wieder beklagte Bedarf an Spezialisten erwarten ließe. "Daher sind wir skeptisch, ob der Fachkräftemangel wirklich so groß ist wie befürchtet", so der WSI-Experte. Und dies gelte nicht nur für die technischen Berufe, sondern beispielsweise auch für den Pflegebereich. Michael Bräuninger, der Konjunkturchef des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, sieht das ähnlich: "Fachkräfte fehlen vor allem kleineren Betrieben, die sich bisher nicht auf höhere Löhne eingestellt haben."

Doch selbst beim Flugzeugbauer Airbus, der durch ein Prämiensystem die grundlegend vereinbarten Metalltarife aufstockt und sich bisher zumeist auf den Zulauf von Fachleuten verlassen konnte, ist die neueste Strategie auf sinkende Einkommen gerichtet. So wird derzeit bei der Diskussion über den Kurs für die kommenden Jahre auch über Abstriche beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Stammbelegschaft verhandelt. "Schon bisher fehlen Fachkräfte bei Mittelständlern der Branche, weil die Firmen keine ausreichend hohen Löhne zahlen", warnt Jan-Marcus Hinz, Betriebsratsvorsitzender des Hamburger Airbus-Werks. "Airbus weitet dieses Thema nun auf den Konzern aus."

Schlechtere Einkommensbedingungen könnten schließlich dazu führen, dass Ingenieure und Facharbeiter ins Ausland gehen. Nicht nur in den USA oder Westeuropa, auch in China, Russland oder Brasilien werden qualifizierte Fachleute gesucht, weil die Luftfahrtindustrie ausgebaut werden soll.

David L., dessen Frau Anja in Hamburg beschäftigt ist, hatte bereits wieder eine Arbeitsstelle in seiner alten Heimat Großbritannien ins Auge gefasst. Denn Mechaniker mit CAT-A-Lizenz erhalten dort nach seinen Recherchen 18 bis 20 Euro pro Stunde. Doch jetzt muss L. doch nicht wieder zurück auf die Insel. Bei einer Schenefelder Zeitarbeitsfirma wird er heute einen neuen Vertrag unterschreiben, um dann wieder bei Airbus anzufangen. "Der zuständige Meister hat mir sogar das gleiche Entgelt wie bei den Festangestellten in Aussicht gestellt", sagt der Flugzeugmechaniker. Am Montag um 13 Uhr geht es für ihn mit der Spätschicht in Finkenwerder wieder los.