Defizitstreit dauert an. Rating-Agenturen drohen mit Herabstufung der Bonität

Hamburg. Der Kampf um die Verschuldungsgrenze gehört mittlerweile fest zum Ritual der Politik in Washington. Der Kongress muss zustimmen, wenn die US-Regierung die Schuldenlast über eine bestimmte Grenze hinaus weiter erhöhen will. Wenn - so wie derzeit - der Präsident und die Opposition in einer oder in beiden Kammern des Parlaments verschiedenen Parteien angehören, wird die Schuldendebatte zum Forum für den großen politischen Schlagabtausch. Auch am Mittwoch ist es Präsident Barack Obama von der Demokratischen Partei nicht gelungen, die Republikaner zu einer Anhebung der Schuldengrenze zu bewegen. "Was genug ist, ist genug", sagte er laut Teilnehmern wütend, bevor er die Verhandlungen mit Vertretern der Republikaner verließ. Gestern sollten die Gespräche zwischen den Repräsentanten der beiden Parteien fortgesetzt werden.

Die aktuelle Obergrenze für die Verschuldung der USA liegt bei 14,3 Billionen Dollar, sie wurde bereits im Mai erreicht. Nur mit Haushaltstricks wirtschaftet das Land derzeit weiter. Spätestens bis zum 2. August aber müssen sich die Vereinigten Staaten neue Liquidität verschaffen. Andernfalls drohen Zahlungsausfälle etwa für öffentliche Angestellte, für Rentner, Militärveteranen, Sozialhilfeempfänger und natürlich für den Schuldendienst des Landes.

China als größter Gläubiger der USA erhöht nun den Druck. "Wir hoffen, dass die US-Regierung verantwortungsvolle Beschlüsse und Maßnahmen verabschiedet, die die Interessen der Investoren garantieren", sagte in Peking gestern ein Sprecher des Außenministeriums. Chinas Devisenreserven betragen mittlerweile rund 3,2 Billionen Dollar. Ein großer Teil davon steckt in Dollar-Anlagen. Sollten die USA ihr Schuldenproblem nicht in den Griff bekommen und den Dollar abwerten müssen, wäre Chinas Finanzwirtschaft davon hart betroffen. Aber auch der Export des Landes, der sehr stark auf das Geschäft mit den USA fixiert ist, würde in Mitleidenschaft gezogen.

Auf eine rasche Lösung der Schuldenkrise drängt auch die Rating-Agentur Moody's. Sie droht der US-Regierung mit dem Entzug der Bestnote "AAA" für die Bonität des Landes, falls nicht vor dem 2. August die Verschuldungsgrenze angehoben und ein möglicher Zahlungsausfall abgewendet wird.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass es so weit kommt. Die Opposition weiß, dass sie sich politisch selbst schadet, sollte wegen ihrer Verweigerungshaltung die US-Bundesregierung zahlungsunfähig werden. Doch jetzt bereits belastet die Schuldendebatte in den USA das Land selbst und die Stimmung der Weltwirtschaft. Die chinesische Rating-Agentur Dagong warnt, dass "die Möglichkeit einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008 wächst".

Insolvenz

Eine Zahlungsunfähigkeit der USA hätte schwerste Folgen. Sie würden das Beben an den Finanzmärkten von 2008, nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, weit übertreffen. "Jeder in der US-Politik weiß, worum es hier geht. Deshalb glaube ich nicht daran, dass es Republikaner und Demokraten zu einer Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung werden kommen lassen", sagt Professor Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). "Wenn das Rating der USA gesenkt wird, werden sich Investoren schrittweise aus US-Staatsanleihen zurückziehen, vor allem institutionelle Anleger, deren Regeln das erfordern."

Bonität

Die chinesische Rating-Agentur Dagong lässt es an Deutlichkeit nicht mangeln. "Wenn sich die Finanzlage in den kommenden drei bis sechs Monaten nicht merklich bessert, werden wir die US-Staatsanleihen definitiv herabstufen", sagte Dagong-Chef Guan Jianzhong der Nachrichtenagentur Reuters. Bereits im November hatte Dagong die USA von der nur noch zweitbesten Note "AA" auf "A+" herabgestuft. Ein schlechteres Rating bedeutet vor allem, dass ein Land für seine Staatsanleihen höhere Zinsen zahlen muss.

Der Finanzwissenschaftler Professor Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanz Zentrum hält eine Herabstufung der USA auch durch die großen amerikanischen und britischen Rating-Agenturen für überfällig. "Mir kommt es so vor, als stufte eine Agentur wie Moody's die USA bewusst noch nicht herunter, um eigene wirtschaftliche Interessen in den USA zu schützen. Die Dramatik der Finanzlage in den Vereinigten Staaten wird weit unterschätzt."

Schwäche der US-Wirtschaft

Die USA leiden noch immer unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise. Neben den öffentlichen sind auch viele private Haushalte hoch verschuldet. "Das Land steckt in einer Strukturkrise", sagt Professor Vöpel vom HWWI. "Weite Teile der US-Wirtschaft und der Infrastruktur sind veraltet und müssten modernisiert werden. Dafür allerdings wäre es wichtig, den Konsum in den USA zurückzufahren, die Sparquote zu erhöhen und einen großen Teil der nötigen Investitionen mit Kapital aus dem eigenen Land zu fínanzieren."

Womöglich aber setzt man weiter auf die Notenpresse. Ben Bernanke, Chef der Zentralbank Federal Reserve, hat bereits angekündigt, dass die "Fed" weitere Milliardensummen an billigem Geld in den Markt pumpen könnte. Das hat den US-Binnenmarkt zuletzt nicht vorangebracht - gleichzeitig führte es aber zu hohen Investitionen professioneller Anleger mit Dollar unter anderem in Rohstoffe und trieb deren Preise hoch. "Am meisten Sorgen macht mir, dass sich die USA weiterhin so intensiv über ihre Notenbank finanzieren", sagt Professor Gerke. "Das ist ökonomisch wirklich unseriös."