Die Zahlungsunfähigkeit des Landes hätte unkalkulierbare Folgen - eine Lösung im Streit um Staatsschulden scheint unwahrscheinlich.

New York. Bislang sind zumindest die hochrangigen Politiker im Schuldenstreit halbwegs höflich miteinander umgegangen. Das ist vorbei. Je näher der Stichtag rückt, von dem an der amerikanische Staat seine Schulden nicht mehr begleichen kann, desto rauer wird der Ton. Senator Mitch McConnell sprach nun das aus, was die meisten seiner republikanischen Parteifreunde ohnehin denken: "Nach jahrelangen Diskussionen und den Verhandlungen der vergangenen Monate scheint es unwahrscheinlich, dass eine tragfähige Lösung gefunden wird, solange dieser Präsident im Oval Office sitzt."

Anstatt sich ganz auf die Sache zu konzentrieren, ist Washington damit beschäftigt, sich die Schuld für das drohende Scheitern der Gespräche gegenseitig anzulasten. Präsident Obama steht seinem politischen Gegner da in nichts nach. Er versuchte in einem Fernsehinterview klarzumachen, was eine Staatspleite bedeuten würde - etwa dass Sozialhilfeempfänger und die Familienangehörigen gefallener Soldaten ab Anfang August vergeblich auf ihre monatlichen Schecks warten könnten: "Das Geld dafür könnte ganz einfach nicht in der Staatskasse sein."

Wie groß das Problem ist, hat das Bipartisan Policy Center in Washington vorgerechnet. Demzufolge ist der Staat auf Bundesebene ab dem 2. August verpflichtet, 307 Milliarden Dollar an Bürger und öffentliche Einrichtungen auszuzahlen. Im selben Monat nimmt er aber nur 172 Milliarden Dollar durch Steuern und Gebühren ein. Irgendjemand wird zwangsläufig leer ausgehen.

Eine Woche bleibt Obama noch, um die größte Volkswirtschaft der Welt vor der Pleite zu bewahren. Spätestens am kommenden Freitag muss ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht werden. Andernfalls reicht die Zeit nicht aus, um das Gesetz von beiden Kammern des Kongresses absegnen zu lassen. Ab dem 2. August braucht der amerikanische Staat frisches Geld am Kapitalmarkt. Dies darf er sich nicht mehr besorgen, seit er im Mai die Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar überschritten hat. Der endgültige Stichtag wurde durch finanzpolitische Tricks bislang immer weiter hinausgezögert.

Zumindest von der Seite der Geldpolitik jedoch gibt es Unterstützung: Die US-Notenbank will bei einer weiter schwächelnden Konjunktur notfalls wieder die Notenpresse anwerfen. Fed-Chef Ben Bernanke schloss erneute Käufe von Staatsanleihen zur Stützung der US-Wirtschaft nicht aus, wie er in seinem Halbjahresbericht vor dem US-Repräsentantenhaus sagte.

Zudem könnte möglicherweise ein weiterer Trick zum Einsatz kommen, der es den beiden Parteien erneut erspart, sich zu einigen und den öffentlichen Haushalt langfristig zu sanieren. Mitch McConnell, der die Republikaner im Senat anführt, brachte eine Idee ins Gespräch, derzufolge Präsident Obama die Verschuldung bis Herbst 2012 in einem dreistufigen Verfahren um weitere 2,5 Billionen Dollar anheben könnte. Dies würden die Republikaner im Kongress natürlich ablehnen. Doch Obama könnte den Plan am Ende eines komplizierten Verfahrens mit einem Präsidenten-Veto durchsetzen. Damit wäre das Thema für den anstehenden Präsidentschaftswahlkampf definitiv gesetzt. Eine Einigung müsste dann zwangsläufig kurz vor den Wahlen erzielt werden.

Rating-Agenturen und Ökonomen warnen davor, dass selbst eine kurze Zahlungsunfähigkeit der USA zu erheblichen Unruhen an den Finanzmärkten führen kann, deren Folgen sich wie bei der Pleite von Lehman Brothers im Vorfeld nicht richtig abschätzen lassen.