Autohersteller kann Gehälter nicht mehr zahlen. Zulieferer sitzen auf offenen Rechnungen

Hamburg. Einer Ikone der schwedischen Wirtschaft droht das Aus: Nachdem der Autohersteller Saab gestern einräumen musste, kein Geld mehr für die Gehälter der 3700 Mitarbeiter des Unternehmens zu haben, spricht die schwedische Metallgewerkschaft offen über eine mögliche Insolvenz. Das wäre der vorläufige Höhepunkt in einem seit Jahren andauernden Überlebenskampf einer Traditionsmarke, die weit über die Grenzen Schwedens bekannt ist. Wenige Tage zuvor wurden bereits die Zulieferer des Herstellers um Zahlungsaufschub gebeten. Und das nicht zum ersten Mal.

Im Frühjahr legten die Lieferanten sogar die Produktion bei Saab in Trollhättan für sieben Wochen still, weil offene Rechnungen nicht beglichen worden waren. Saab-Eigentümer Swedish-Automobile konnte damals noch das Schlimmste verhindern. Seit April wurden in der Fabrik aber kaum noch Autos gebaut, geschweige denn verkauft.

Zwar laufen auch jetzt noch Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern über ein Finanzierungsabkommen. Dabei geht es unter anderem um den Verkauf von Firmenimmobilien, die im Anschluss wieder gemietet werden sollen. Dadurch würde Saab kurzfristig Gelder freibekommen. Es könne aber keine Garantie gegeben werden, dass die Gespräche mit einer Finanzierungszusage abgeschlossen werden, sagte eine Saab-Sprecherin. Schon in der Vergangenheit gab es zahlreiche ähnliche Initiativen. Sie alle scheiterten, weil jedem Investor ein Geschäft mit Saab zu unsicher war.

Auch Schwedens Regierung schloss gestern schnelle Hilfe zur Behebung der akuten Krise aus. Wirtschaftsministerin Maud Olofsson sagte dazu in Stockholm: "Saab hat hier die Verantwortung und muss selbst finanzielle Lösungen finden." Die Aktien von Swedish-Automobile stürzten daraufhin um mehr als 34 Prozent ab. Hinter dem Unternehmen steckt der niederländische Sportwagenhersteller Spyker. Er hatte den Autobauer 2010 von dem US-Konzern General Motors (GM) übernommen.

Vor allem in Deutschland hatte die Marke einen guten Klang. Lange galt das Unternehmen als Hersteller qualitativ hochwertiger Autos, die unter hervorragenden sozialen Standards produziert wurden. Vorwiegend gebildete und kreative Menschen, die sich gegenüber Prestigemarken wie Mercedes oder BMW absetzen wollten, bevorzugten die schwedischen Fahrzeuge mit dem oft ungewöhnlichen Design. Saab verkörperte ein Lebensgefühl.

Doch das ist Vergangenheit. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut der Universität Duisburg-Essen räumt dem Hersteller kaum noch Überlebenschancen ein. "Selbst wenn frisches Geld fließen würde, könnte Saab nicht langfristig durchhalten", sagte Dudenhöffer dem Abendblatt. "Mit der kleinen Stückzahl pro Jahr kann die Marke nicht mit Herstellern wie Audi, BMW oder Daimler mithalten. Auch langfristig wird deshalb das Geld für neue Modelle und für das Vertriebssystem fehlen." Allein die Entwicklung neuer Modelle kostet hohe dreistellige Millionenbeträge. Saab sitzt laut Dudenhöffer zwischen allen Stühlen. "Für einen Massenhersteller reicht es genauso wenig wie für einen Nischenanbieter. Denn in diesem Bereich müsste Saab gegen Marken wie Ferrari oder Porsche antreten. Und das dürfte den Schweden nicht gelingen."

Schon mit der schrittweisen Übernahme durch den US-Konzern General Motors (GM) ab 1990 begann der Niedergang. Die Fahrzeuge konnten in der Qualität nicht mehr mithalten, das Design wurde verwechselbar. Die Qualität litt, die Zahl der produzierten Autos sank auf aktuell 30 000 bis 40 000 Wagen, während in den 1980er-Jahren erstmals immerhin mehr als 100 000 Fahrzeuge im Jahr gebaut wurden.

Die Saab-Mitarbeiter haben den Umgang mit beängstigenden Neuigkeiten in den vergangenen Jahren ziemlich gründlich gelernt. Schon bei GM wurde dem Hersteller bescheinigt, ein "chronischer Verlustbringer" zu sein. Ende 2009 platzte dann auch noch der schon ausgehandelte Verkauf durch GM an den kleinen schwedischen Sportwagenhersteller Koenigsegg. Da schien bereits das endgültige Aus für Schwedens zweite stolze Automarke neben Volvo nahe. Aber dann kam der ebenfalls sehr kleine niederländische Sportwagenbauer Spyker Cars. Der umtriebige Spyker-Chef Victor Muller versprach schnell schwarze Zahlen, die aber bisher noch nicht erwirtschaftet wurden.

Muller suchte Partner und Geldgeber. Es gab viele Gespräche. Sollte es dann aber konkret werden, scheiterten am Ende alle Pläne. Derzeit verhandelt Spyker wieder mit chinesischen Partnern, bislang aber ohne Ergebnis. "Niemand glaubt Muller seine Versprechungen mehr", meinte ein Kommentator des schwedischen Rundfunksenders SR. Bitter für die Beschäftigten dürfte sein, dass sie die schlechte Nachricht ausgerechnet zum Auftakt des langen schwedischen Mittsommerwochenendes bekommen haben. Da feiert die ganze Nation. Nur bei Saab herrscht Trauerstimmung.