Deutsche Ökonomen sehen die Hilfen für Griechenland zunehmend skeptisch. Es geht um bis zu 80 Milliarden Euro. Wer soll das alles zahlen?

Hamburg. Die wütenden Proteste in Griechenland gegen den Sparkurs der Regierung sowie das anhaltende Gezerre um ein neues milliardenschweres Rettungspaket haben die Furcht der Investoren vor einer Pleite des Euro-Staates weiter geschürt. Ablesbar ist dies an den sogenannten Kreditausfallversicherungen: Gestern stieg der Preis für die Absicherung eines Griechenland-Darlehens in Höhe von zehn Millionen Euro nach Angaben des Datenanbieters Markit auf den Rekordbetrag von 1,651 Millionen Euro, das waren 61 000 Euro mehr als am Vortag.

Angesichts der Streiks und der teils gewalttätigen Demonstrationen in dem Mittelmeerland wehrte sich die EU gegen den Eindruck, das im Mai 2010 beschlossene, mit harten Sparauflagen verbundene Hilfsprogramm im Volumen von 110 Milliarden Euro belaste die griechische Bevölkerung über Gebühr. "Die soziale Lage ist im Zentrum unserer Sorgen", sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Olli Rehn. Am Sonntag wollen die EU-Finanzminister über ein neues Hilfspaket beraten, das Spekulationen zufolge 90 bis 120 Milliarden Euro umfassen könnte.

Entgegen den Warnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hat SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Umschuldung Griechenlands gefordert, die über eine bloße Verlängerung der Laufzeit von Anleihen hinausgeht. "Wenn wir Akzeptanz schaffen wollen, müssen wir einen harten Schuldenschnitt machen, bei dem die Gläubiger auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichten", sagte Gabriel der "Zeit".

Allerdings wäre ein solcher Schnitt für die Rating-Agenturen gleichbedeutend mit einem Zahlungsausfall - und damit würden die griechischen Staatsanleihen praktisch wertlos. Vor dem Hintergrund der kritischen Lage stellt sich die Frage, was dies für den deutschen Steuerzahler bedeuten würde.

Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen an der Leibniz-Universität Hannover, hat in dieser Hinsicht wenig Hoffnung. "Der Steuerzahler wird letztlich bezahlen müssen", sagte Homburg dem Abendblatt. Das Geld, mit dem Deutschland gegenüber Griechenland im Risiko stehe, sei "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verloren", glaubt der Experte, denn: "Nach menschlichem Ermessen ist es ausgeschlossen, dass sich Griechenland aus dieser prekären Situation befreien kann."

Für Deutschland dürfte es alles in allem um einen Betrag in der Höhe von 70 bis 80 Milliarden Euro gehen: Der Anteil der Bundesrepublik am ersten Griechenland-Rettungspaket beträgt 22,4 Milliarden Euro, ungefähr gleich groß dürfte die Beteiligung an den neuen Hilfen ausfallen. Die EZB hat Marktschätzungen zufolge griechische Staatsanleihen im Wert von 40 bis 50 Milliarden aufgekauft; wären sie verloren, entfielen gemäß dem Anteil am EZB-Grundkapital etwa zwölf Milliarden Euro auf Deutschland. Hinzu kommen die Risiken in den Bilanzen inländischer Geldhäuser. Laut Bundesbank waren sie im Februar mit etwa 18 Milliarden Euro in Griechenland engagiert, wobei acht Milliarden Euro auf einen Kredit der bundeseigenen KfW entfielen.

Gemäß Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beliefen sich die gesamten Forderungen deutscher Institute zum Jahresende 2010 noch auf 23 Milliarden Euro, wobei jedoch allein 10,8 Milliarden Euro bei der verstaatlichten Hypo Real Estate lagen. Die teilstaatliche Commerzbank bezifferte ihr Griechenland-Portfolio per Ende März auf 2,9 Milliarden Euro.

"Vor zwei Jahren war Griechenland noch fast ausschließlich bei privaten Investoren verschuldet", sagte Homburg, "heute liegt ihr Anteil nur noch bei rund 50 Prozent." Vor allem Versicherer und Pensionsfonds hätten ihre Anleihen inzwischen weitgehend abgestoßen.

Für Homburg ist es nicht verwunderlich, dass die EZB gegen alle Lösungsansätze opponiert, die die griechischen Staatsanleihen wertlos machen könnten. Der Wirtschaftswissenschaftler: "Die EZB ist in dieser Sache wegen der eigenen großen Bestände kein neutraler Schiedsrichter mehr."