Krawalle erschüttern Athen. Premier stellt Vertrauensfrage. EU streitet um Milliarden-Hilfe. “Deutsches Geld verloren“

Athen. Der Regierungschef beschwor die "historische Stunde" für das Land, sein Volk aber geht auf die Barrikaden. Die Griechenland-Krise ist gestern dramatisch eskaliert.

Nach einem landesweiten Generalstreik und schweren Ausschreitungen in Athen bot der sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou seinen Rücktritt an und sprach am Abend mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Die Gespräche scheiterten aber. Daraufhin kündigte Papandreou an, er werde heute das Kabinett umbilden und in den nächsten Tagen im Parlament die Vertrauensfrage stellen. "Ich werde meinen Kurs beibehalten. Das ist meine Pflicht."

Zuvor hatten mehr als 30 000 Griechen vor dem Parlament gegen den harten Sparkurs protestiert. Sie skandierten: "Diebe! Verräter! Wo ist unser Geld geblieben?" Randalierer schleuderten Brandsätze auf das Finanzministerium, die Limousine von Papandreou wurde mit Obst beworfen. Die Polizei setzte Tränengas ein, um Abgeordnete sicher zum Parlament geleiten zu können. Neun Menschen wurden verletzt, 40 Randalierer festgenommen.

Griechenland droht der Staatsbankrott, wenn nicht bald neue Milliarden der Euro-Länder bewilligt werden. Um das Rettungspaket zu ermöglichen, hatte sich die Regierung Papandreou zu tief greifenden Einschnitten bei Löhnen, Renten und im sozialen Netz verpflichtet. Diese Bedingungen wollte die konservative Partei Neue Demokratie von Oppositionsführer Samaras jetzt neu verhandeln. Dagegen aber sträubte sich Papandreou.

Am Dienstagabend war der Zeitplan für das Griechenland-Rettungspaket ins Wanken geraten. Die Finanzminister der Euro-Zone konnten sich nicht darauf einigen, wie die zusätzlichen 90 bis 120 Milliarden Euro aufgebracht werden können. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besteht darauf, dass private Investoren ihre griechischen Staatsanleihen umtauschen in neue Scheine mit einer Laufzeit von sieben Jahren. Die meisten Euro-Länder lehnen dies ab, ebenso wie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet. "Im Saal hat es mächtig gekracht", hieß es. Schäuble und Trichet blieben unversöhnlich. "Ich kann nicht erkennen, wie ein Kompromiss entstehen soll", sagte ein Insider. Die EZB will Banken nur eine freiwillige Laufzeitverlängerung der Kredite zumuten. Denn es wird befürchtet, dass die Rating-Agenturen jede Form von Zwang als Staatspleite Griechenlands werten und damit die Anleihen wertlos machen würden.

Für den deutschen Staat und die Banken stehen insgesamt 70 bis 80 Milliarden Euro auf dem Spiel. Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg (Uni Hannover) sagte dem Abendblatt, er gehe davon aus, dass dieses Geld "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" verloren ist.