Der Fachkräftemangel macht Hamburger Firmen erfinderisch. Fürs Anwerben von Kollegen zahlen Unternehmen neuerdings bis zu 3000 Euro.

Hamburg. Fußballprofis der Spitzenklasse sind so rar, dass ihre Ablöse die Klubs regelmäßig Millionen kostet. Für den Transfer Cristiano Ronaldos von Manchester United zu Real Madrid im Jahr 2009 zahlte das Vereinsmanagement eine Rekordsumme von 94 Millionen Euro. Im gleichen Jahr, die Finanzkrise hatte einen ihrer vorläufigen Höhepunkte erreicht, geriet die HSH Nordbank mit dem Plan in die Schlagzeilen, eine Halteprämie von 2,9 Millionen Euro an ihren Chef Dirk Jens Nonnenmacher auszahlen zu wollen, der das angeschlagene Kreditinstitut sonst wohl lieber sofort verlassen hätte.

Heute sind nicht nur Spitzensportler und Bankchefs rar, sondern auch Angestellte in Alltagsberufen. Um neue Fachkräfte zu gewinnen, zahlen daher immer mehr Unternehmen eine Kopfprämie. Die Ärzte- und Apothekerbank belohnt jeden Mitarbeiter mit 3000 Euro, der einen neuen Kollegen wirbt. Auch die Hamburger Pflegen & Wohnen, Betreiber von zwölf Seniorenheimen, setzt jetzt auf ein Kopfgeld. Damit will das Unternehmen dem drastischen Mangel an geeigneten Bewerbern für die Pflege begegnen. Ein Beispiel: In den vergangenen zwölf Monaten meldeten Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in der Hansestadt im Schnitt 405 offene Stellen für Krankenschwestern und -pfleger, und dieser Zahl der Stellenangebote stand nur die Hälfte von Jobsuchenden in der Branche gegenüber.

Tiemo Kracht, Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants GmbH, und damit einer der bundesweit renommiertesten Personalberater, fasst die drastisch steigenden Herausforderungen an die Personalsuche zusammen: In Deutschland dürfte die Bevölkerung in den nächsten 40 Jahren von 82 auf 69 Millionen sinken, ab 2015 gingen zudem immer mehr Babyboomer in Rente. Gleichzeitig gehe die Zahl der Hochschulabsolventen jedes Jahr weiter zurück.

"Große Konzerne profitieren am Bewerbermarkt von ihrer Bekanntheit", ergänzt Kienbaum-Experte Jan Marek Pfau, der Mittelstand aber müsse kreativ werden, um im "War for Talents", dem Kampf um Talente, noch genügend Nachwuchs zu finden. "Auch kleinere Firmen, die vorher niemals daran gedacht haben, setzen jetzt auf Headhunter", weiß Pfau aus seiner Branche zu berichten.

Vielen Firmen ist die Provision von einem Drittel des Jahresgehalts für einen Headhunter zu teuer. Sie setzen auf individuelle Aktionen für ihre Akquise. "Die Prämie von 3000 Euro setzen wir so erfolgreich ein, dass jetzt jeder vierte Mitarbeiter in unseren Filialen über dieses Instrument zu uns kommt", sagt Andrea Nickerl von der Ärzte- und Apothekerbank. Wenn Beschäftigte ihre Bekannten als neue Kollegen werben, würden meist besonders harmonische Teams zusammenkommen.

Bei Pflegen & Wohnen lockt die Personalabteilung mit Sachprämien im Wert von rund 300 Euro. "Digitalkameras, ein professionelles Fotoshooting oder ein Abend im Schmidts Tivoli, wir bieten eine große und ständig wechselnde Auswahl von Prämien", sagt Thomas Flotow, Personalleiter bei Hamburgs größtem Anbieter für stationäre Pflege mit derzeit 40 offenen Stellen.

Auch die angeblich so begehrten Medienfirmen kämpfen um Nachwuchs. So hat die Hamburger Beratungsgesellschaft Faktenkontor einen 20-g-Goldbarren im Wert von mehr als 600 Euro für die erfolgreiche Vermittlung eines Kundenberaters angeboten - Tipps, Empfehlungen und Bewerbungen werden bei Erfolg honoriert. "Fachkräfte in der Kommunikationsbranche sind gefragt wie eh und je", sagt Roland Heintze, geschäftsführender Gesellschafter des Faktenkontors.

Ungewöhnlich wirkungsvoll war auch die Pizza Digitale der Werbeagentur Scholz & Friends. Um das Digital-Team am Hamburger Standort zu erweitern, setzte die Agentur auf eine außergewöhnliche Recruiting-Kampagne. Zusammen mit dem Lieferservice "Croque Master" entwickelten die Kreativen die "Pizza Digitale" - eine Pizza, die mit Tomatensoße in Form eines QR-Codes, eines zweidimensionalen Strichcodes - belegt ist. Wer diesen mit seinem Smartphone scannte, landete auf einer Website mit dem Stellenangebot für digitale Kreative. Vier Wochen lang wurde zu jeder Bestellung von Hamburger Werbeagenturen eine "Pizza Digitale" ausgeliefert. "Der Film wurde mehr als 30 000-mal abgerufen", sagte Markus Mayr von Scholz & Friends. Das Ergebnis: zwei neue Digital-Teams für die Agentur in der Hansestadt.

Der Hamburger Spieleentwickler InnoGames braucht 100 neue Beschäftigte und sucht wegen des praktisch leer gefegten deutschen Markts für Programmierer verstärkt im Ausland. "Wir haben bereits Mitarbeiter aus elf Nationen angeworben. In Ungarn, Schweden, Polen, Irland oder Kanada waren wir mit Stellenanzeigen erfolgreich", sagt InnoGames-Sprecher Dennis Heinert. Um den Neuankömmlingen den Start in Hamburg zu erleichtern, kümmert sich die Internetfirma sogar um deren private Sorgen: Sie stellt den Mitarbeitern fest angemietete Wohnungen in Büronähe zur Verfügung und lädt sie abends zum gemeinsamen Fußballspielen ein.