Finanzminister Wolfgang Schäuble fordert den Verzicht von privaten Gläubigern. Ratingagentur stuft Kreditwürdigkeit der USA herab.

Hamburg. Es vergeht kaum noch ein Tag ohne schlechte Nachrichten zur weltweiten Schuldenkrise: Die Ratingagentur Moody's hat nun auch dem unter Problemen mit seinen Banken leidenden Großbritannien mit einer Aberkennung der Bestnote für die Bonität gedroht. Sollte das Wirtschaftswachstum schwach bleiben und die Regierung ihre Konsolidierungsziele verfehlen, könnte die "AAA"-Einstufung gefährdet sein, sagte Moody's-Analystin Sarah Carlson der Nachrichtenagentur "Market News International".

Kürzlich hatte Moody's bereits den USA mit einer Herabstufung gedroht - und die Bad Homburger Agentur Feri EuroRating Services hat damit bereits Ernst gemacht. Nach eigenen Angaben senkte die erste derartige Institution in der westlichen Welt Feri die Note der USA für die Kreditwürdigkeit von "AAA" auf "AA". Schon im dritten Jahr liege die Defizitquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweistelligen Prozentbereich, erklärte Tobias Schmidt, Vorstand der Agentur: "Defizite solcher Größenordnungen sind mit einer nachhaltigen Haushaltspolitik nicht vereinbar."

Ungleich kritischer ist die Lage jedoch in Griechenland. So warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem gestern veröffentlichten Brief, der unter anderem an die Amtskollegen der Euro-Zone gerichtet ist, vor dem "realen Risiko der ersten ungeordneten Staatsinsolvenz" innerhalb des Währungsverbunds.

Sollten nicht in Kürze weitere Milliarden aus dem Hilfspaket freigegeben werden, geht Griechenland im Juli das Geld aus - mit äußerst unangenehmen Folgen: "Eine Staatspleite Griechenlands würde das wirtschaftliche Leben dort zum Erliegen bringen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dem Abendblatt. "Der Staat könnte die Löhne für den öffentlichen Dienst nicht mehr bezahlen. Außerdem würde vermutlich das griechische Bankensystem zusammenbrechen." Denn die Staatsanleihen, die von den Banken gehalten werden, wären auf einen Schlag kaum noch etwas wert.

Damit könnten sich die Finanzinstitute nicht mehr bei der Europäischen Zentralbank (EZB) refinanzieren, weil sie keine Sicherheiten mehr stellen können. "Gleichzeitig würden die Griechen ihre Einlagen von den einheimischen Banken abheben wollen, und einem solchen 'Run' hielte kein Bankensystem stand", erklärte Krämer.

Einen Kollaps der griechischen Banken für den Fall einer Staatspleite hält auch der Finanzexperte Wolfgang Gerke für unabwendbar: "Dann müssten die Banken verstaatlich werden, wie dies ja auch in Deutschland mit der Hypo Real Estate geschehen ist." Insgesamt wäre ein Zahlungsstopp für Griechenland jedoch trotz aller Härten "verkraftbar", meint Gerke. Allerdings habe man den optimalen Zeitpunkt dafür verpasst: "Es hätte Griechenland mehr gebracht, wenn man die Insolvenz schon vor dem ersten Hilfspaket zugelassen hätte." Denn wegen der mit den Hilfen verbundenen strengen Auflagen sei das Land nun stets in der Gefahr, sich "kaputt zu sparen."

Dennoch arbeiten die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) derzeit ein neues Rettungspaket aus, um Griechenlands Zahlungsfähigkeit für die nächsten beiden Jahre zu sichern. Darüber wollen die EU-Finanzminister am 20. Juni entscheiden. Als Voraussetzung für die erneute Unterstützung nannte Schäuble in seinem Brief allerdings eine "faire Lastenteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Investoren".

Im Klartext heißt das: Auch die Banken sollen ihren Teil zur Lösung der Schuldenprobleme Athens beitragen. Doch das ist nicht leicht umzusetzen. Würden die Banken gezwungen, auf Geld zu verzichten, würden die Ratingagenturen dies als Insolvenz betrachten. Daher setzen die Euro-Finanzminister offenbar auf die Einsicht der Investoren. Aber auch eine solche "freiwillige Umschuldung" wäre ein Drahtseilakt, so Krämer: "Jede deutliche Belastung der Investoren würde von den Ratingagenturen als Zahlungsausfall eingestuft, damit wären die Konsequenzen ähnlich wie bei einer Staatspleite.

Eine nachhaltige Lösung wäre aber auch mit einem neuen Hilfspaket noch nicht erreicht. "Damit verschiebt man das Problem nur", sagte Gerke. "Früher oder später wird die Rechnung präsentiert werden."

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer schließt nicht aus, dass es "irgendwann" zu einer Pleite eines Euro-Mitgliedsstaats kommt, "aber ich glaube nicht, dass man dieses Risiko bereits jetzt bewusst eingehen möchte". Denn es bestünde die Gefahr, dass der Vertrauensverlust bei den Investoren auf Länder wie Portugal übergreift. Zudem werde man schon aus politischen Erwägungen alles daransetzen, den Ausfall eines Staats aus dem Währungsverbund zu verhindern: "Für die Euro-Zone wäre das ein Tabubruch."