Das Kosmetikgeschäft und die Nivea-Produkte fallen weg. Protest auf Hauptversammlung von Beiersdorf gegen mögliche Werksschließung.

Hamburg. Andrea Herr hat sich extra einen Tag Urlaub genommen. Mit rund 90 anderen Beschäftigten des Juvena-Werks in Baden-Baden saß sie in der Nacht zum Donnerstag im Bus - und fuhr rund 700 Kilometer, um am Morgen vor der Hauptversammlung des Nivea-Herstellers Beiersdorf gegen die mögliche Schließung der Fabrik zu protestieren. "Dabei arbeite ich gar nicht bei Juvena. Ich habe es für meine Schwester Susanne gemacht, die dort beschäftigt ist", sagte sie dem Abendblatt. Im Rahmen seiner Neuausrichtung will der Hamburger Konzern das Werk in Baden-Württemberg verkaufen oder, wenn dies möglicherweise nicht gelingen sollte, sogar schließen.

Eines haben die Mitarbeiter mit ihrer Aktion erreicht. Beiersdorf-Chef Thomas-Bernd Quaas kam, begleitet von anderen Vorständen, vor Beginn des Aktionärstreffens zum Gespräch zu den Protestlern. Die Geste wurde als lobenswert empfunden, doch versprechen konnten die Chefs nichts. Die Entscheidung sei noch nicht gefallen, hieß es lediglich.

Auch ansonsten unterschied sich die diesjährige Hauptversammlung von den Aktionärstreffen der vergangenen Jahre. Statt von neuen Geschäftserfolgen zu berichten, musste Quaas ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Marke Nivea 100 Jahre alt wird, die Anteilseigner um Geduld bitten. Denn der einst erfolgsverwöhnte Hamburger Konzern steckt inmitten einer Neuausrichtung. "Ich habe im Jahr 2010 natürlich nicht alles für schön befunden", sagte Georg W. Claussen, Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats unter Beifall der anderen Aktionäre. Klare Worte eines sonst eher zurückhaltenden Hanseaten. In der Vergangenheit hatte sich Claussen auf das Lob für die Beiersdorf-Mitarbeiter beschränkt. Es war seine 58. Hauptversammlung - und er nahm Abschied. Claussen wird im Juni 99 Jahre alt.

Nicht nur der Ehrenvorsitzende wird künftig fehlen. Der Nivea-Hersteller schneidet im Rahmen seines Sanierungskurses einige alte Zöpfe ab. So wird jede fünfte Flasche, Tube oder Dose der Nivea-Markenfamilie eingestellt. In Deutschland steigt Beiersdorf wegen fehlenden Erfolgs aus dem Geschäft der dekorativen Kosmetik (Schminke, Make-up und Lippenstifte) aus und konzentriert sich auf Pflegeprodukte für die Haut. Randbereiche wie Juvena wurden oder werden verkauft. Die Fokussierung werde "Wachstum und Profitabilität" entscheidend stärken, kündigte Quaas an. Er verteidigte seinen Kurs. "Wir standen vor der grundlegenden Frage: Müssen wir uns nur hier und da ein wenig bewegen und ein paar Schwachstellen ausbügeln? Oder machen wir einen klaren Schnitt und schaffen damit eine stabile Basis für eine lang anhaltende, erfolgreiche Zukunft?"

Die Firma, die mehrheitlich der Hamburger Kaffee-Dynastie Herz (Tchibo) gehört, hat sich für die zweite Variante entschieden. Aktionärsschützer lobten dies. Für Beiersdorf bedeutet diese Änderung der Geschäftspolitik wegen der Verringerung der Produktvarianten allerdings auch für dieses Jahr ein geringeres Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit). Erst 2012 werden sich laut Quaas die Erfolge der Neuausrichtung bemerkbar machen.

Konkrete Zahlen für das erste Quartal werden erst Anfang Mai vorgelegt. "Der Geschäftsverlauf in den ersten drei Monaten dieses Jahres erfolgte gemäß unseren Planungen", sagte Quaas. Schon 2010 konnte das Unternehmen nicht an frühere Wachstumszeiten anknüpfen. Der Umsatz stieg zwar um 3,1 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Das Ergebnis nach Steuern fiel aber um mehr als zehn Prozent auf 326 Millionen Euro. Dennoch blieb die Dividende mit 70 Cent pro Aktie konstant.

Beiersdorf leidet unter seiner immer noch sehr starken Abhängigkeit von Ländern in Westeuropa, wo die Märkte nahezu gesättigt sind. Vorstandsmitglied Peter Feld erklärte allerdings, das Unternehmen habe in einigen wichtigen europäischen Ländern in den Monaten Marktanteile gewinnen können.

Nicht nur die Ära Claussen endet bei Beiersdorf, auch der langjährige Beiersdorf-Chef Rolf Kunisch gab nach seinem 70. Geburtstag vor wenigen Tagen sein Mandat im Aufsichtsrat auf. Nachfolgerin wurde die Wirtschaftsprüferin Beatrice Dreyfus. Damit hat das Unternehmen künftig zwar vier weibliche Vertreter im zwölfköpfigen Gremium, Rednerinnen der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) war dies aber noch nicht genug. Mindestens die Hälfte der Kontrolleure sollten gerade bei einem Körperflegekonzern weiblich sein, gaben sie Aufsichtsratschef Reinhard Pöllath mit auf den Weg.