Staatskonzern mit Schlappe vor Gericht. Busfirmen planen neue Strecken ab Hamburg. Die Tickets sind 30 bis 40 Prozent billiger im Vergleich zum ICE.

Hamburg. Alexander Kuhr kann es kaum fassen. Das kleine Busunternehmen, das der Student mit seinen Kommilitonen Ingo Mayr-Knoch und Christian Janisch gründete, hat am Mittwoch vor dem Landgericht Frankfurt einen Prozess gegen den Logistikriesen Deutsche Bahn gewonnen. Der Staatskonzern wollte verhindern, dass die Studentenfirma DeinBus Personen im Fernverkehr transportieren darf. Eigentlich wäre das Urteil höchstens eine kleine Zeitungsmeldung wert - wenn es nicht dazu beitragen könnte, dass eine jahrzehntealte Regelung zum Schutz der Eisenbahn gekippt wird.

Denn anders als in vielen anderen Ländern ist private Konkurrenz von Linienbussen im Fernverkehr laut der Überlandverkehrsverordnung von 1931 in Deutschland nur dann erlaubt, wenn es keine alternativen Bahnverbindungen für die betreffende Route gibt. Die damaligen Politiker beschlossen diesen Passus, um die Reichsbahn vor Konkurrenz zu schützen. In fast unveränderter Form hat die Formulierung ihren Weg ins heute gültige Personenbeförderungsgesetz gefunden.

Bei einer günstigen Überlandfahrt 2008 im Urlaub in Spanien war Kuhr und seinen Freunden aufgefallen, wie viele Fernbusse dort im Vergleich zu Deutschland verkehren. Wieder zurück in der Heimat, wollten die drei Friedrichshafener diese Marktlücke ausnutzen und ein Linienbusunternehmen gründen. Sie erspähten eine Lücke im Gesetz, boten deshalb keine regelmäßigen Routen an, sondern eine vom Landratsamt Bodenseekreis genehmigte Busmitfahrzentrale. Wenn sich über das Internet mindestens zehn Leute für ein Angebot der Jungunternehmer gefunden haben, kommt die Fahrt zustande. So können Reisende bereits für etwa zwölf Euro von Frankfurt nach Köln fahren. Zwei- bis fünfmal pro Woche wird die Strecke bedient. Sporadisch kommen auch Verbindungen von Frankfurt nach Berlin oder Stuttgart nach München zustande.

Diese Konkurrenz wollte die Bahn vor Gericht ausschalten. Vermutlich wird sie gegen das Urteil Revision einlegen. Doch sie könnte zu spät kommen. Denn die Bundesregierung hat das Problem bereits erkannt und will den Fernverkehr in Deutschland spätestens bis Jahresende liberalisieren. Die Kunden können sich dann vermutlich auf günstigere Fahrpreise freuen. Denn ein Busticket ist derzeit 30 bis 40 Prozent billiger als das Ticket für die gleiche Strecke mit dem ICE.

Seit die Liberalisierungspläne bekannt wurden, herrscht in der Branche Aufbruchstimmung. Zum Beispiel bei der Deutschen Touring: Das Unternehmen bietet zwar schon heute eine Verbindung Hamburg-Frankfurt-Mannheim an. Der Bus darf aber nur nachts fahren, wenn kein ICE unterwegs ist. "Hamburg wird nach der Liberalisierung des Fernverkehrs ein Drehkreuz für uns", sagte Michael Svedek, Sprecher der Deutschen Touring. Er erwartet einen Kundenansturm wie damals, als die ersten Billigflieger auf den deutschen Markt kamen. "Neue Strecken von Hamburg nach Berlin, dem Ruhrgebiet und weitere Fahrten nach Frankfurt sind denkbar."

Rund 4500 Busunternehmen gibt es in Deutschland. Die meisten sind mittelständisch geprägt. Etwa 1000 zählt der Hauptgeschäftsführer des Internationalen Bustouristik Verbandes, Dieter Gauf, zu den größeren Firmen der Branche. Experten erwarten, dass sich neben dem Primus Deutsche Touring einige weitere Dutzend Anbieter um längere oder kürzere Fernrouten bemühen werden.

Doch die größte Konkurrenz bei der Vergabe neuer Fahrstrecken kommt für die Deutsche Touring nicht aus der Busbranche, sondern von Schienenkonzernen, die auch mit Bussen unterwegs sind. So hat sich offenbar der Privatbahnanbieter Veolia im Vorfeld schon um einige lukrative Fernverbindungen beworben - und auch die Deutsche Bahn mischt kräftig mit. Ihr gehört die Firma Kraftverkehr, die noch aus Zeiten der deutschen Teilung die Erlaubnis hat, mehrmals täglich zwischen Hamburg und der damals im "Ostblock eingeschlossenen" Stadt Berlin zu pendeln. Daneben besitzt die Deutsche Bahn bundesweit weitere rund zwei Dutzend Busfirmen. So soll die Bustochter Bex nach dem Willen des Schienenkonzerns die Verbindungen Köln-Hamburg, Bielefeld-Hannover-Hamburg sowie zwischen Dresden und Düsseldorf bedienen. Ein Sprecher des Unternehmens wollte dies zwar nicht bestätigen, aber der Wettkampf um Strecken und Kunden hat in der Branche längst begonnen.

Mayr-Knoch und seine Freunde haben allerdings noch keine Expansionspläne. "Die Busmitfahrzentrale sollte auch noch in einem liberalisierten Markt ihre Berechtigung haben", sagte er. Zum Aufbau eines großen Anbieters in der Branche dürfte ihm vor allem die Zeit fehlen. Der Jungunternehmer studiert noch Betriebswirtschaftslehre.