Betriebe geben deutlich höhere Preise für viele Rohstoffe an die Verbraucher weiter. Für Weizen erhöhten sich die Kosten um rund 80 Prozent.

Hamburg. Es waren anfangs nicht zuletzt die drastisch gestiegenen Brotpreise, die in Ländern wie Tunesien und Ägypten die Menschen auf die Straßen getrieben haben. Echte Notstände sind für Deutschland zwar nicht zu erwarten. Aber auch hier werden die Verbraucher künftig spürbar mehr Geld für Fleisch, Brötchen oder Nudeln ausgeben müssen.

Denn Deutschland wird sich von internationalen Trends nicht abkoppeln können - und die sprechen eine überdeutliche Sprache. So lag der Nahrungsmittelpreisindex der Vereinten Nationen zuletzt um 37 Prozent über dem Stand von vor einem Jahr, der Teilindex für Getreide sogar um 60 Prozent.

"Allein für Weizen haben sich unsere Kosten in den vergangenen zwölf Monaten um rund 80 Prozent erhöht", sagt Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, dem Abendblatt. Musste er im April 2010 noch etwa 24 Euro für hundert Kilogramm Weizen bezahlen, seien es nun zwischen 38 und 42 Euro, erzählt Becker, der selbst mehrere Bäckereifilialen in Hamburg betreibt.

Nicht nur der teurere Weizen drückt auf die Gewinne der Branche, sondern auch für Kakao, Sonnenblumenkerne und Speiseöle verlangen die Lieferanten heute deutlich mehr als vor einem Jahr. Noch in diesem Jahr geht Becker von Preissteigerungen für Brötchen, Brot und Kuchen von zwei bis drei Prozent aus. Auch bei den Fleischern haben sich die Einkaufspreise für etliche Produkte stark erhöht. "Lammfleisch kostet uns derzeit rund 30 Prozent mehr als im vorigen Jahr und Putenbrust gut zehn Prozent mehr", sagt Michael Durst, Obermeister der Fleischerinnung Hamburg. "Damit wird sich das Lamm für die Kunden um zehn bis 15 Prozent verteuern. Wenn jemand zwei Kilogramm kauft, kostet das schon einige Euro mehr als zuvor."

Hinzu kommen die deutlich höheren Ölpreise: "In meinem Betrieb haben wir vier Fahrzeuge, mit denen wir zum Beispiel Kindertagesstätten beliefern. Bei einer monatlichen Dieselrechnung von 3000 bis 4000 Euro spüren wir den Anstieg der Ausgaben schon sehr." Auch höhere Kosten für den Strom, der für Bratöfen und für die Kühlung gebraucht wird, schlagen bei einem Verbrauch von bis zu 120 000 Kilowattstunden empfindlich zu Buche.

Deutschlands Verbraucher werden wohl umdenken müssen: "Die Zeiten von Niedrigpreisen für Lebensmittel sind vorbei", ist Michael Lohse, Sprecher des Deutschen Bauernverbands, überzeugt. "In den vergangenen Jahren sind die Nahrungsmittelpreise im Vergleich zur Inflationsrate unterdurchschnittlich gestiegen. Das wird sich künftig ändern."

In diese Richtung deutet auch die Studie "Handelsmonitor", für die die Prüfungs- und Beratungsfirma Ernst & Young unter anderem 120 führende Einzelhändler und Konsumgüterproduzenten in Deutschland befragt hat: 46 Prozent von ihnen erwarten, dass die Lebensmittelpreise um fünf bis 15 Prozent anziehen, immerhin acht Prozent der Befragten glauben sogar an eine Verteuerung um mehr als 15 Prozent.

Eine baldige Umkehr des Trends sieht Bäckerpräsident Peter Becker nicht. "Langfristig werden sich gerade die Menschen in Deutschland auf deutlich teurere Lebensmittel einstellen müssen", meint er. Ohnehin seien diese Güter hierzulande bisher vergleichsweise günstig.

Darauf weist auch Lohse hin. "Der deutsche Lebensmittelhandel wird stark von Discountern geprägt. Damit zählt vor allem der Preis, nicht so sehr Merkmale wie Frische, Regionalität und Qualität wie in Frankreich oder Italien." Discountketten wie Aldi müssten ihre Gewinne aber nicht mit Fleisch erzielen, sagt Durst.

Angesichts dieser Handelsstruktur und des daher extrem scharfen Wettbewerbs haben die deutschen Verbraucher bislang von den Rohstoffverteuerungen nicht so viel gespürt wie die Menschen in vielen anderen Ländern. Doch nun kommen einfach zu viele Faktoren zusammen. "Schlechte Ernten, Spekulanten und die gestiegene Nachfrage einer stark wachsenden Weltbevölkerung haben für den Kostenschub gesorgt", so Becker. Beim Fleisch wirken sich die rasanten Wohlstandszuwächse in China aus, sagt Durst: "Früher hat man dort vor allem Schweinepfoten und -ohren gekauft, heute sind Filets mehr und mehr gefragt."

Gerade die Fleischer hätten kaum eine andere Wahl, als die höheren Preise wenigstens teilweise an die Kunden weiterzugeben: "Die Eigenkapitalquote deutscher Mittelständler ist im europäischen Vergleich noch immer niedrig."

Während deutsche Verbraucher im Schnitt elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, werden sie künftig dafür etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. In zahlreichen anderen Ländern hat die Verteuerung der Nahrungsmittel eine völlig andere Dimension. Dies sei "die größte Bedrohung für die Armen der Welt", warnte Weltbank-Präsident Robert Zoellick. Allein 2010 seien als Folge dessen 44 Millionen Menschen in der Welt neu unter die Armutsgrenze gefallen: "Uns droht, eine ganze Generation verloren zu gehen."