Die Menschen in Deutschland sind verunsichert. Meldungen über milliardenschwere Hilfsprogramme für europäische Fast-Pleitestaaten und rasant wachsende Schuldenberge schüren Ängste. Das Gespenst der Inflation geht um in Europa - vor allem in Deutschland. Die Alten erzählen von damals, von den 1920er-Jahren, als ein Laib Brot über Nacht 1,5 Millionen Mark kostete. Als das Geld nichts mehr wert war. Und die verängstigten Zuhörer rennen zur Bank, zum Makler. Sie kaufen Goldbarren, Silbermünzen und verschulden sich für das eigentlich zu große, zu marode oder auch viel zu teure Haus. Hauptsache raus aus der Sparbuchfalle, rein in die angeblich so sicheren Sachwerte. Denn Vertrauen in eine Politik, die den Kampf gegen die Inflation ernst meint, haben nur noch die wenigsten. Gestern ist ein Stück dieses Vertrauens zurückgekehrt.

Mit ihrem Schritt, den Leitzins nach fast drei Jahren wieder anzuheben, hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein Signal an die verunsicherten Bürger gesendet: Die Preisstabilität bleibt das höchste Gut der Währungshüter. Da mögen die Regierenden noch so laut stöhnen und davor warnen, dass ihre Schuldenaufnahme wegen des Zinsschrittes teurer und der Konjunkturmotor abgewürgt wird. Die EZB bleibt hart, verweist zu Recht auf die bereits zu hohe Inflationsrate von 2,6 Prozent. Und der Bürger darf sich freuen über seine unabhängige Notenbank. Nur sie kann garantieren, dass das Sparguthaben, die Rente, die Lebensversicherung ihren Wert wenigstens annähernd behält. Denn die Regenten der roten Zahlen von Lissabon bis Berlin haben daran nicht wirklich ein Interesse, könnten sie sich doch ihrer Schulden schnell über Inflation entledigen.

Ohnehin wird die Erhöhung des Leitzinses um einen mickrigen viertel Prozentpunkt keinen spürbaren Einfluss auf die reale Volkswirtschaft haben. Die Kredite für Konsumenten und Firmen dürften - wenn überhaupt - nur marginal steigen. Das Wirtschaftswachstum wird folglich nicht geringer. Und auch der Zins für Staatsanleihen orientiert sich längst nicht mehr am EZB-Zins, sondern an der Haushaltspolitik des Landes, das Kredite nachfragt. Die Schuldenmacher müssen endlich ihre Finanzen in Ordnung bringen, statt auf höhere Inflationsraten zu spekulieren.