Rolf Steil geht nach elf Jahren als Chef der Hamburger Arbeitsagentur in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Sönke Fock aus Berlin.

Hamburg. Mit federnden Schritten wird er heute wieder in das spartanisch eingerichtete Sitzungszimmer kommen. Er wird sich vor einen der breiten, für das Auslegen von Grafiken und Zetteln mit Zahlenkolonnen bereitstehenden Tische setzen, vor sich ein paar Teller mit Keksen, Kaffeekannen und Tassen für die Besucher. Über einen Beamer werden Tabellen an einer Wand erscheinen. Und detailsicher wird Rolf Steil, 64, die Arbeitslosigkeit in Hamburg erläutern und nicht vergessen, eigene Erlebnisse bei Firmen einzustreuen. Die Verkündung der neuesten Zahlen der Arbeitsagentur hat in Hamburg fast etwas Familiäres, denn meist kommen dieselben Journalisten Man kennt sich. So wird heute alles sein wie seit Jahren. Fast.

Denn Steil ist das letzte Mal dabei. Nach knapp elf Jahren mit nur kurzer Unterbrechung als Erster Mann der Agentur für Arbeit in Hamburg geht er in den Ruhestand. Verabschieden wird ihn Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der einige Zeit als Arbeitsminister für die Agentur zuständig war. Das macht Steil ein wenig stolz. Zufrieden ist er ohnehin. "Ich habe das Beste aus meinen Möglichkeiten gemacht", sagt er. Ein bewegtes Leben, gefüllt mit alpinem Klettern, Motorrad-, Rad- und Skifahren. Und im Job mit den vielen Terminen der Agentur sowie bei Unternehmen, Verbänden und Kammern.

Bei so viel Dynamik klingt es verwunderlich, dass der Jurist aus Trier sein gesamtes Berufsleben bei der Arbeitsagentur verbracht hat. Nach der Ausbildung zum Offizier bei den Gebirgsjägern in Mittenwald hatte er zwar mehrere Bewerbungen laufen. "Richter in Traunreut, einem idyllischen Ort bei Berchtesgaden, war eine davon", erinnert er sich. Aber das "statisch Gesetze nachvollziehende" Handeln war ihm zu wenig. So entschied er sich für die Arbeitsagentur, deren Fachvermittlung für Akademiker er als Rechtsreferendar in Nürnberg kennengelernt hatte.

An Selbstbewusstsein hat es dem nur 170 Zentimeter großen Beamten offensichtlich nie gefehlt. Sein Aufstieg bis zum Chef der größten deutschen Arbeitsagentur in Hamburg sei eine Folge "guter Arbeit, von Ehrgeiz" und der Bereitschaft, mit der Familie und seinen drei Kindern umzuziehen.

In Ostdeutschland macht er in den 90er-Jahren die Erfahrung mit einer überbordenden Zahl von Menschen, die sich mit Ein-Euro-Jobs über Wasser halten müssen. "Wir konnten damals helfen, weil die Politik die Kassen weit öffnete", erinnert er sich. Im Oktober 2007 arbeitet er kurz in der Zentrale der Bundesagentur in Nürnberg, als er erfährt, dass er eine lebensgefährliche Krankheit in sich trägt. Das verunsicherte den Sportler, der immer gesund gelebt hat, tief. Welche Behandlung nun die beste sei, fragte er sich, aber mehr noch, was in seinem Leben nun wichtig ist. Da ist zum einen seine Familie, die er als "Rückzugsort" empfindet, aber auch "ein Arbeitsplatz in vertrauter Umgebung, den ich gut ausfüllen kann". Die Karriere steht hintenan. Er geht nach Hamburg zurück und besiegt die Krankheit in sechs Monaten.

Jetzt geht Steil. Aber wie die Arbeitsmarktpolitik der Zukunft aussehen muss, darüber wird er weiter nachdenken. Er fordert eine Bildungsoffensive an den Schulen genauso wie mehr Qualifikation im Beruf. Schwächere Schüler müssten gefördert, Frauen müsse der Zugang zum Beruf erleichtert und die Ausbildung von Migranten rascher beurteilt werden. "Die Arbeitsagentur kann dann helfen, etwaige Defizite zur adäquaten deutschen Ausbildung auszugleichen." Hamburg räume ausländischen Auszubildenden schon heute bessere Chancen ein als andere Städte, sagt Steil. So werden Einstellungstests zum Beispiel in Mathematik in der jeweiligen Heimatsprache angeboten. Insgesamt sieht der scheidende Agenturchef für die Hansestadt sogar gute Chancen, die Zahl der Arbeitslosen in den kommenden Jahren zu verringern. "Statt heute 70 000 könnte künftig 60 000 eine gute Zahl für die Arbeitslosigkeit in der Stadt sein", schätzt er. Vielleicht werde man dieses Niveau schon im Herbst erreichen.

Die genauen Zahlen wird Steil nicht mehr vortragen. Das wird sein Nachfolger Sönke Fock übernehmen, der aus Berlin nach Hamburg kommt. Dagegen wird für den Pensionär mehr Zeit für die Oper bleiben, für Reisen mit Ehefrau Hildegard und für seine Motorräder. Zunächst wird er zu einer vierwöchigen Tour auf Korsika aufbrechen. Allein, mit einem Ein-Mann-Zelt, einem Campingkocher und einem neuen Topfset. Denn die Berge, die ihn als Abiturienten und jungen Gebirgsjäger in ihren Bann zogen, lassen ihn nicht los.