Im Norden steht auf vielen Zapfsäulen schon der Name, aber der Sprit ist noch nicht drin

Hamburg. Der neue Biosprit E10 droht trotz Werbe- und Aufklärungskampagnen beim Verbraucher endgültig durchzufallen. Die Kraftstoffkonzerne BP und Total lassen wegen der anhaltend schwachen Nachfrage schon wieder mehr herkömmliches Superbenzin herstellen - ein erstes klares Anzeichen für das mögliche Scheitern von E10. In den drei Raffinerien Leuna, Schwedt und Karlsruhe ist die Produktion angepasst worden, wie die Unternehmen berichteten.

Die Mineralölkonzerne sind längst skeptisch, ob sie die von der Politik vorgeschriebene Biospritquote überhaupt erreichen. Denn nur drei von zehn Autofahrern akzeptieren derzeit den neuen Kraftstoff. Die Gründe sind etwa fehlende Information, Misstrauen oder Abwarten auf Erfahrungen.

Für weitere Verunsicherung sorgt, dass auf den meisten Zapfsäulen in Deutschland der Produktname E10 schon aufgedruckt ist, aber die neue Benzinsorte dort noch gar nicht erhältlich ist. "Keiner weiß genau, was drin ist", sagte Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Verbands des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein. Der Radiosender NDR 1 Welle Nord hatte zuvor berichtet, dass es Tankstellen gebe, die zwar Benzin als E10 auszeichnen, es sich dabei aber nicht immer auch um E10 handele.

Auch in Hamburg verwenden viele Mineralölkonzerne den Begriff E10, obwohl sie den Biosprit noch nicht liefern können. "Wir können kein E10 auf Halde produzieren", sagte dagegen ein Total-Sprecher. Es könne nicht sein, dass das Unternehmen rote Zahlen schreibe, nur weil eine Richtlinie gesetzlich erfüllt werden müsse. Bei Shell hingegen gab es ähnliche Umstellungen in der Produktion bisher wohl nicht. "Da ist mir mit dem heutigen Tage nichts bekannt", sagte eine Sprecherin.

Hintergrund der Kritik: Die EU schreibt mehr erneuerbare Energien für den Transportsektor vor. Deutschland setzte das unter anderem damit um, dass E10 mit einem Ethanolanteil von zehn Prozent Hauptbenzinsorte werden muss. Wird die Quote nicht erfüllt, drohen den Mineralölkonzernen Strafzahlungen.

Shell sorgte gestern für Aufsehen, indem das Unternehmen eine kostenlose Versicherung ankündigte, die mögliche E10-Schäden bezahlt. Die Police setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Versicherten fast ausschließlich bei Shell tanken. Der Automobilklub ADAC kritisiert das neue Shell-Angebot als "Marketinginstrument für den Mineralölkonzern."