Rettungsschirm soll bis 2013 auf 500 Milliarden Euro aufgestockt werden. Auf Bundesrepublik kommt Belastung von bis zu 200 Milliarden zu

Brüssel/Hamburg. Der Protest ließ nicht lange auf sich warten. Kaum hatte Portugals Regierung auf dem Sondergipfel zur Stabilisierung des Euro weitere Sparmaßnahmen zugesagt, waren 200 000 Bürger in Lissabon auf der Straße, um gegen die neuen Restriktionen zu protestieren. In Deutschland äußerte sich der Widerstand gegen das Reformwerk verbal. Gleich mehrere Politiker aus den Regierungsreihen warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, maßgebliche Beschlüsse der Fraktionen missachtet zu haben. Die FDP drohte im "Handelsblatt" sogar damit, die Beschlüsse, die am 24. und 25. März endgültig von allen 27 EU-Staaten beschlossen werden sollen, zu verhindern. Die Liberalen lehnen einen größeren Rettungsschirm grundsätzlich ab. So drohte der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler: "Das Ergebnis widerspricht der Beschlusslage der FDP-Bundestagsfraktion, eine Mehrheit im Bundestag ist nicht gesichert."

Tatsächlich können die Beschlüsse des Sondergipfels als bisher größte Reform des Euro seit seiner Einführung im Jahr 1999 bezeichnet werden. In einer achtstündigen Sitzung einigten sich die 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone auf weitreichende Maßnahmen zur Absicherung der Gemeinschaftswährung. Kernergebnis: Der milliardenschwere Rettungsfonds für klamme Mitglieder soll auf 500 Milliarden Euro bis 2013 aufgestockt werden. Zudem können künftig chronische Schuldensünder wie Griechenland leichter an Geld kommen. Angesichts der hohen Staatsverschuldung vieler Euro-Länder (siehe Grafik) ist es nicht ausgeschlossen, dass nach Irland auch Portugal oder sogar Spanien unter den Rettungsschirm flüchten.

Merkel zog nach dem Gipfel eine positive Bilanz: Der "wesentliche Teil der Arbeit" sei geleistet. Für Deutschland und andere reiche Staaten dürfte die Euro-Rettung jedoch teuer werden: Sie müssen sich auf höhere Garantieleistungen in Milliardenhöhe einstellen. Nach Einschätzung von Experten könnten die Bürgschaften für den Krisenfonds EFSF durch Deutschland auf bis zu 200 Milliarden Euro steigen - bisher waren es 123 Milliarden. Der Krisenfonds hatte bisher einen Umfang von 440 Milliarden Euro, wovon derzeit wegen hoher Sicherheitsleistungen aber nur 250 Milliarden ausgeschöpft werden können. Laut den Gipfelbeschlüssen soll künftig die ganze Summe zur Verfügung stehen. Eine weitere Neuerung: Der derzeitige Fonds EFSF soll künftig auch unter strikten Bedingungen Staatsanleihen direkt von Staaten kaufen können. Die Euro-Staaten gewähren zudem Griechenland verbilligte Zinsen für seine Milliardenkredite.

Eher langfristig soll der sogenannte Pakt für den Euro, der maßgeblich die Handschrift von Merkel trägt, der Währung dienen: Die Euro-Staaten wollen sich künftig enger in der Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik abstimmen, um ein Finanzfiasko wie in Griechenland oder Irland zu verhindern. Die Länder verpflichten sich zum Sparen. Das Rentenalter soll sich an der demografischen Entwicklung orientieren - ein einheitliches Rentenalter soll es aber nicht geben. Der Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit ist allerdings keine rechtlich bindende Vereinbarung, sondern eine Selbstverpflichtung. Und hier sieht auch der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann den größten Schwachpunkt: "Der Pakt ist zwar ökonomisch sinnvoll, bleibt aber angesichts nicht festgeschriebener Ziele sehr unkonkret. Es gibt keinerlei Verbindlichkeiten." Im Gegenzug habe Merkel mit der Aufstockung des Rettungsschirms wiederum eine "teure Kröte" schlucken müssen. "Deutschland hat viele Zugeständnisse gemacht", urteilt Hansmann, "das ist alles andere als ein Erfolg."