Ob in Gebäuden oder im Verkehr - Europas Umwelthauptstadt bietet noch viel Einsparpotenzial. Ein Besuch bei Siemens

Hamburg. Jens Krüger öffnet den Schaltkasten im Keller der Hamburger Siemens-Niederlassung. Im Hintergrund brummen die Gebäudetechnik, die Zentralheizung, die Aggregate für die Klimaanlage. "Alle Komponenten hier drin sind eingeführte Produkte", zeigt er auf Relais und Messinstrumente und geht dann zu den Rohrleitungen einige Meter entfernt. "Dieses Durchleitungsventil für Warmwasser ist ein 35 Jahre alter Typ. Heutzutage wird es allerdings von einem Adapter elektronisch gesteuert, viel feiner als früher."

Der Betriebs- und Versorgungstechniker Krüger, 46, leitet den Bereich Gebäudetechnik mit rund 150 Mitarbeitern in der Hansestadt. Seine Kollegin Shima Ramezani, 27, Ingenieurin für Elektro- und Regeltechnik, arbeitet als Expertin für Gebäudeautomation in einem von Krügers "Greenteams". Die beiden sind eine Art Energiefahnder. Ihre Aufgabe ist es, Verschwendung zu entdecken und den Strom- und Wärmeverbrauch in Gebäuden zu senken.

Sie arbeiten analytisch und leise. Doch in der Hamburger Zentrale der Siemens-Region Nord am Lindenplatz stehen Krüger und Ramezani für das neue Leitmotiv des Technologiekonzerns. Intensiver als seine Vorgänger vermarktet Siemens-Chef Peter Löscher, seit 2007 im Amt, das "grüne" Portfolio des Traditionsunternehmens mit seinen weltweit fast 400 000 Mitarbeitern, davon 1300 in Hamburg.

Bezahlbare Energie und effizienter Energieeinsatz gehören heutzutage untrennbar zusammen. Siemens produziert und vermarktet eine riesige Palette an Elektrotechnik, von der Gasturbine bis zum Windkraftwerk, von der Straßenbahn bis zur Waschmaschine. Mehr denn je aber geht es im Konzern darum, nicht nur Technologien gut zu verkaufen, sondern Nutzern dabei zu helfen, Energie optimal einzusetzen.

Auch in Europas derzeitiger Umwelthauptstadt Hamburg liegt in dieser Hinsicht noch vieles im Argen. Krüger erwähnt als Beispiel das Gebäude der Hamburger Agentur für Arbeit, das bei einem Energiesparprojekt der Stadt saniert wurde. Mithilfe neuer Gebäudetechnik sanken die jährlichen Energiekosten um mehr als 170 000 Euro und der Ausstoß an Kohlendioxid um mehr als 40 Prozent. Einen pauschalen Einsparwert für die Stadt können Krüger und Ramezani nicht nennen, aber eine Art Faustregel: "Es gibt beim Gebäudemanagement einen Indikator, wonach auf einer Bürofläche von 125 000 Quadratmetern eine jährliche Einsparung von 1000 Tonnen Kohlendioxid realisiert werden kann", sagt Ramezani.

Krügers "Greenteams" sind Arbeitsgruppen von Experten aus verschiedenen Fachgebieten. Frei vom Tunnelblick sollen sie die jeweils beste Lösung für ein Gebäude erarbeiten. "Unsere Teams sehen sich die Gebäude ganzheitlich an und versuchen so, den Energiebedarf zu optimieren." Eine Außendämmung oder eine Dachsanierung zur Energieeinsparung benötige unter Umständen 30 Jahre, um sich wirtschaftlich zu rechnen, sagt Krüger: "Eine Modernisierung der Gebäudeleittechnik aber vielleicht nur drei Jahre."

Energieverschwendung sieht der Siemens-Experte nicht nur im Altbaubestand. "Das Baugewerbe ist im Hinblick auf den ökologischen Fortschritt nach wie vor auf dem Stand der Steinzeit", sagt Krüger. "Jedes Einzelgewerk plant für sich selbst, ob Elektrotechnik oder Kältesysteme für ein Gebäude. Wir müssen das alles von Anfang an viel stärker miteinander verzahnen."

Systeme zu vernetzen, das war auch das Motiv von Hans-Erhard Schmidt, als er vor mehr als zehn Jahren eine Anlage für die Versorgung von Schiffen mit Strom auf der Lübecker Flender-Werft entwarf. 2008 nahm der Lübecker Hafen Deutschlands erste kommerzielle Landstromanlage für Großschiffe in Betrieb. Schmidt, 61, war wiederum beteiligt. Sein Wissen brachte der Ingenieur im selben Jahr auch in eine Studie für die Stromversorgung von Kreuzfahrtschiffen in der HafenCity ein.

Weltweit arbeiten bislang nur einige dieser speziellen Verbindungen vom Land- zum Bordnetz. Unterschiede in der Frequenz, aber auch in der Spannung der Netze müssen solche Anlagen überbrücken. Weil das bislang nicht in genormten Abläufen funktioniert, rüsteten bisher in Europa nur wenige Reedereien Schiffe für Landstromanschlüsse aus, etwa die Fährbetreiber Color Line und Stena oder der Papiertransporteur Transpaper. "Ursprünglich ging es bei Landstromanschlüssen darum, den Ausstoß von Luftschadstoffen aus Schiffen zu senken, die im Hafen liegen, vor allem Schwefeldioxid und Stickoxide", sagt Schmidt. "Aber Landstromanschlüsse würden auch helfen, Energie einzusparen. Bordstrom kommt meist aus Dieselaggregaten. Der Strom aus den städtischen Kraftwerken wird im Vergleich dazu effizienter erzeugt."

Das wichtigste Thema bei den Debatten der vergangenen Jahre war ein einheitlicher Anschluss. "In der zweiten Jahreshälfte wird nun endlich ein internationaler Standard für einen Stecker eingeführt", sagt Schmidt, der bei vielen Konferenzen dabei war. "Das könnte den Durchbruch bringen."

Die Durchbrüche, an denen Berndt Ziemann und seine Kollegen arbeiten, sind zahlreich: morgens vor dem Elbtunnel, abends auf der Kieler Straße, jederzeit dort in Hamburg, wo der Verkehr fließen sollte und es allzu oft nicht tut. Ziemann sitzt in seinem Büro auf einem alten Fabrikgelände in Rothenburgsort. Die Notrufsäule für Autobahnen soll in den 30er-Jahren hier erfunden worden sein. Heutzutage vertreibt Siemens von hier aus Leitsysteme für den Verkehr, etwa Ampeln und Schaltungen. "Ich habe hier selten Technik von der Stange verkauft", sagt Ziemann, der seit 1979 für Siemens arbeitet.

Sensoren messen die Stärke des Verkehrs, Ampeln und andere Leitsysteme steuern den Durchfluss. Das muss gut abgestimmt sein, um Stop-and-go oder Staus zu vermeiden. Nirgendwo sonst im Straßenverkehr wird so viel Energie verschwendet wie im Stehen. "Zusätzliche Straßen kann man kaum noch bauen", sagt Ziemann. Doch vorhandene lassen sich auf Knopfdruck umgestalten, mit "dynamischen Fahrstreifensignalisierungen", Leuchtmarkierungen auf der Fahrbahn, deren Verlauf man bei Bedarf verändern kann.

Aber auch die Lichtanlagen selbst tragen ihren Teil bei, um Energie einzusparen. "Wir haben in Hamburg die Leuchtdioden-Technik in Ampeln eingeführt", sagt Ziemann. Mehr als 1700 Anlagen seien bislang von den althergebrachten Glühleuchten auf effizientere Leuchtdioden umgerüstet worden. Mit einem guten Ergebnis, findet der Siemens-Mann: "Das senkt den Stromverbrauch der Ampeln um 80 Prozent."