Der Aufschwung verschärft den Fachkräftemangel. Hunderte Jobs in Hamburg sind unbesetzt. Unter anderem bei Google, Xing und Otto.

Hamburg. Experten für das wachstumsstarke Feld des Cloud Computings würde Easynet-Chef Diethelm Siebuhr sofort einstellen. Die Hamburger IT-Firma hat sich darauf spezialisiert, ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen für das Arbeiten in der Datenwolke anzubieten. Das Geschäft brummt. "Doch für ein mittelständisches Unternehmen wie uns wird es immer schwieriger, wirklich gute Fachleute zu finden", sagt Siebuhr. 15 Stellen hat er derzeit zu besetzen, für die die passenden Bewerber fehlen.

So wie der Harburger Firma Easynet geht es immer mehr IT-Unternehmen in Deutschland. Nach Angaben des Verbands Deutscher Ingenieure (VDI) ist der Mangel an Informatikern in den vergangenen Monaten stark angewachsen. Allein im Januar konnten 16.500 Stellen nicht besetzt werden. Aus einer Umfrage des Verbandes geht hervor, dass mehr als zwei Drittel der Befragten bis 2015 von einem wachsenden Bedarf an Fachkräften ausgehen. Demnach reagieren viele Unternehmen mit Weiterbildung auf den hohen Bedarf. Für jeden fünften Befragten sei aber auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland ein Thema.

"Es geht mit der Branche bergauf, doch es fehlen die Fachkräfte", sagte Dieter Westerkamp, stellvertretender Leiter Technik und Wissenschaft im VDI. Selbst in der Krise sei die Zahl der Stellen für Informatiker weiter gewachsen. 7000 arbeitssuchenden Informatikern standen demnach im Januar 23.600 offene Stellen gegenüber. Binnen eines Jahres sei die Lücke um 10.000 Stellen größer geworden.

In Hamburg sind es unter anderem große Arbeitgeber wie Google, Xing oder der Onlinehändler Otto, die verstärkt nach Mitarbeitern suchen. Der Internetkonzern Google hatte erst vor wenigen Wochen angekündigt, die Zahl seiner Beschäftigten in Europa um rund 1000 aufstocken zu wollen. Mehrere Hundert neue Stellen sollen dabei in der Hamburger Deutschland-Zentrale und am Standort München entstehen.

Stark auf Expansionskurs ist auch der Onlinespiele-Entwickler Bigpoint, der derzeit rund 200 neue Fachkräfte sucht, überwiegend für das Hauptquartier in der Hansestadt. Gefragt sind bei Bigpoint vor allem Softwareentwickler, die Internetspielewelten wie Battlestar Galactica, Dark Orbit oder Zoo Mumba virtuelles Leben einhauchen. "Der Markt der Experten ist hart umkämpft und es ist nicht immer leicht, alle Stellen mit Fachkräften zu besetzen", sagt Personalchefin Gitta Blatt.

"Der Fachkräftemangel ist für Hamburger IT-Unternehmen eine große Herausforderung", meint auch Uwe-Jens Neumann, Vorsitzender des Branchennetzwerks hamburg@work. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftsentwicklung könnten offene Stellen gar nicht oder nicht adäquat besetzt werden. Gerade bei Online-Marketingspezialisten sowie Web-, SAP- und Spiele-Entwicklern habe sich die Situation gegenüber dem Vorjahr noch einmal verschärft.

Nachwuchs für die boomende Branche ist zwar in Sicht, doch nicht in genügendem Maß. "Problematisch ist, dass die von den Universitäten und Fachhochschulen nachrückenden Absolventen nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken", sagte VDI-Experte Westerkamp. Im Jahr 2009 schlossen knapp 19 000 Studenten ihr Informatikstudium ab - das waren 800 mehr als 2008. Auch die Zahl der Studienanfänger steige zwar, aber immer noch breche fast jeder Zweite sein Studium vorzeitig ab.

Der Präsident des IT-Verbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer, forderte, stärker um junge Menschen zu werben: "Wir klagen über Fachkräftemangel. Da müssen wir auch die Jugend von der Technik begeistern können. Sie ist auf der Messe Cebit willkommen, auch wenn sie an den Ständen erst mal nur einen Kugelschreiber mitnimmt." Allerdings dürfen Kinder und Jugendliche im Alter unter 16 Jahren die Cebit nur an einem einzigen Tag, dem Sonnabend, und in Begleitung Erwachsener besuchen. Für Kinder unter acht Jahren gibt es grundsätzlich keinen Eintritt. Der VDI sieht Schulen und Hochschulen in der Pflicht, die Schüler besser auf das naturwissenschaftlich-technische Studium vorzubereiten. Die Unternehmen müssten dafür Sorge tragen, das Berufsbild des Informatikers attraktiver zu machen.

Aus Sicht der Gewerkschaft IG Metall sollten die Firmen hingegen dazu bereit sein, höhere Gehälter für IT-Experten zu zahlen. Laut einer Studie haben die Beschäftigten bislang nämlich nur in geringem Umfang vom Aufschwung in der Branche profitiert. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Gehälter um 1,5 Prozent. Dabei legten die Verdienste in Verwaltungsbereichen wie bei Sachbearbeitern, Controllern und Vertriebsexperten stärker zu als bei Hardware- oder Softwareentwicklern.