Airbus-Mutter verliert gegen Boeing Rennen um Auftrag für US-Tankflugzeug. Bundesregierung stellt das Vergabeverfahren infrage

Hamburg. Die Bundesregierung hat Zweifel an dem Verfahren für die Vergabe des "Jahrhundertauftrags" über die Lieferung von Tankflugzeugen für die US-Luftwaffe angemeldet. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erklärte, nach dem Sieg Boeings gehe er davon aus, dass die Entscheidung vom unterlegenen Airbus-Mutterkonzern EADS "nun genau analysiert wird und dabei auch über mögliche weitere Schritte und Konsequenzen nachgedacht wird".

Noch deutlicher wurde der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Staatssekretär Peter Hintze: "Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, weil nicht ganz klar ist, ob es tatsächlich bei der dritten Ausschreibung ein faires Verfahren gegeben hat", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert derzeit allerdings keinen Handlungsbedarf. Aus deutscher Perspektive sei jedoch eine Möglichkeit verpasst worden, die transatlantische Partnerschaft noch zu vertiefen.

Boeing hatte vom Pentagon den Zuschlag für den Bau von zunächst 179 Tankjets im Wert von rund 35 Milliarden Dollar (25,4 Milliarden Euro) erhalten. Darüber hinaus winken Folgeaufträge, der Gesamtumfang könnte auf 100 Milliarden Dollar anwachsen.

Hätte sich die US-Luftwaffe für EADS entschieden. wäre auch auf das Hamburger Airbus-Werk erheblich mehr Arbeit zugekommen: Hier werden Rumpfsegmente für den Langstreckenflieger A330 produziert, den die Europäer ins Rennen geschickt hatten. Diese Komponenten wären - anders als beim Ziviljet - nicht nach Toulouse, sondern in den US-Bundesstaat Alabama geliefert worden; der Bau eines Endmontagewerks dort war Bestandteil des EADS-Angebots.

"Aus diesem Grund hätte der Auftrag hohe strategische Bedeutung für Airbus gehabt", sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt. "Es wäre eine elegante Lösung gewesen, eine Produktionslinie im Dollar-Raum aufzubauen." Der Sieg von Boeing sei "schade für EADS, aber die Entscheidung war vorhersehbar", kommentierte Heino Hammann, Branchenanalyst der Nord/LB, den Ausgang des Verfahrens. "Wenn die Wirtschaftskrise nicht gekommen wäre, hätte das Pentagon vielleicht anders entschieden", vermutet Hammann.

Mit "Enttäuschung und Besorgnis" reagierte die Nordamerika-Tochter von EADS auf die Nachricht aus Washington. Man sehe der Diskussion mit der US-Luftwaffe über die Gründe für den Entschluss mit Interesse entgegen. Vor diesem Gespräch, das voraussichtlich am Mittwoch stattfindet, will EADS nicht über einen möglichen Einspruch entscheiden.

Nach Auffassung von Hammann hätte eine Klage aber wohl wenig Aussicht auf Erfolg. Sie wäre mit Blick auf weitere Ausschreibungen für Rüstungsprojekte in den USA auch kaum ratsam, meint Großbongardt.

Zwar gab die EADS-Aktie am Freitag leicht nach, während die Boeing-Anteilsscheine bis zum Nachmittag um rund vier Prozent zulegten. Doch ob der US-Konzern am Ende glücklich über den Sieg sein kann, muss sich nach Ansicht von Experten noch zeigen.

"Ein Fixpreisauftrag mit so langer Laufzeit hat immer seine Risiken", sagte Großbongardt. Darauf weist auch Hammann hin: "Wer zuletzt lacht, wird sich erst in einigen Jahren herausstellen." Airbus-Chef Thomas Enders zeigte sich jedenfalls gelassen. Für Boeing wäre eine Niederlage ein "Desaster" gewesen, so Enders. "Für uns ist es nur eine verlorene Chance - an unseren hervorragenden Wachstumsperspektiven ändert das gar nichts."