Heizöl auf Rekordniveau. Energieexpertin Kemfert warnt dennoch vor Panikmache: “Derzeit gibt es genügend Erdöl am Markt“

Hamburg. Die Eskalation in Libyen hinterlässt auf dem deutschen Energiemarkt immer deutlichere Spuren. An den Tankstellen ist der Spritpreis bundesweit kräftig gestiegen. In Hamburg kletterte der Preis für einen Liter Super bei einigen Stationen bereits auf 1,56 Euro, der Liter Diesel kostete 1,44 Euro. Super ist damit vier Cent teurer als am Vortag, Diesel zwei Cent. Damit liegen die Preise nur noch kurz unter dem historischen Rekord vom Sommer 2008, als die Autofahrer für den Liter Benzin bis zu 1,60 Euro bezahlen mussten.

Wer seinen Heizkessel derzeit füllt, muss besonders tief in die Tasche greifen. Leichtes Heizöl verteuerte sich bereits auf mehr als 83 Cent pro Liter, den höchsten Stand seit Herbst 2008. Beim Heizöl spüren die Händler derzeit trotz hoher Preise eine große Nachfrage. "Viele Kunden fürchten, dass Öl angesichts der arabischen Krise noch teurer werden könnte", sagt der Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID), Rainer Wiek.

Grund für den Anstieg sind die anziehenden Rohölpreise am Weltmarkt, die sich nach dem Ausbruch der Unruhen in Libyen innerhalb einer Woche um 20 Prozent erhöht hatten. Allerdings gab der Ölpreis der Sorte Brent am Freitag wieder leicht auf 112 Euro pro Barrel (159 Liter) nach. Die US-Sorte WTI sank auf 98 Dollar, nachdem der größte Ölexporteur Saudi-Arabien angekündigt hatte, für die Öllieferausfälle aus Libyen einzuspringen.

Die weitere Entwicklung bleibt ungewiss. "Wie hoch die Preise steigen, ist reine Spekulation. Klar ist, dass sich die Preise für Benzin und Diesel proportional zu den Rohölpreisen entwickeln werden. Auch die Gaspreise werden dieser Entwicklung mit Verzögerung folgen", meint die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert.

Der Rohölexperte der Commerzbank, Carsten Fritsch, geht davon aus, dass die Krise auf die nächsten Monate begrenzt bleiben dürfte: "Die Preise für Rohöl werden bis zur Jahresmitte über 100 Dollar liegen, danach dürften sie sich darunter bewegen und bis zum Jahresende wieder auf 90 Dollar pro Barrel fallen." Viel hänge davon ab, ob die Krise sich auf weitere Länder ausweite und schlimmstenfalls auch Saudi-Arabien treffe. "Derzeit gibt es genügend Öl am Markt", ist die DIW-Expertin Kemfert überzeugt. "Selbst wenn Libyen komplett als Lieferant ausfallen würde, könnte dies durch die Förderung anderer Länder kompensiert werden. Es gibt keinen physischen Engpass. Der Ölpreis wird in diesen Tagen vor allem durch die Sorge in die Höhe getrieben, dass in weiteren Ölförderländern Unruhen ausbrechen könnten. Niemand weiß, was noch passieren wird. Ich warne deshalb vor Panikmache. Die Preisblase kann auch schon morgen wieder platzen und die Preise sinken."

Generell ist ein hoher Ölpreis Gift für die Volkswirtschaft. Er bremst den privaten Konsum. Auch das Bundeswirtschaftsministerium befürchtet, dass der hohe Ölpreis den Aufschwung in Deutschland in den nächsten Monaten leicht drücken könnte.