Weibliche und männliche Topmanager für Vielfalt in den Vorständen. Erster Mixed-Leadership-Kongress in Hamburg

Hamburg. Die meisten Damen lächelten amüsiert, als die auf das Thema Frauen und Karriere spezialisierte Autorin und Beraterin Avivah Wittenberg-Cox die Äußerung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann als inakzeptabel bezeichnete. Denn seine Bemerkung Anfang der Woche, Frauen machten einen Unternehmensvorstand "farbiger" und "schöner", werteten auch die Teilnehmer der 1. Mixed Leadership Conference in der HafenCity als eher kontraproduktiv in der Diskussion um weibliche Topmanager. "Deutschland hat in dieser Sache noch viel nachzuholen. Sonst droht der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit", sagte Wittenberg-Cox, die mit ihrem Unternehmen 20-First weltweit Firmen berät, wie diese mehr Frauen und internationale Manager in Führungspositionen bringen können (Gender Diversity).

Tatsächlich liegt die Bundesrepublik nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey mit nur zwei Prozent Frauenanteil in den Vorständen großer Konzerne in Europa hinten und international gleichauf mit dem Schwellenland Indien. Laut Sylvia Tarves, Geschäftsführerin der Hamburger Personal- und Strategieberatung Leading Woman und Organisatorin des rund 100 Teilnehmer starken Hamburger Kongresses, haben hierzulande nur 28 Prozent der Unternehmen das Thema Gender Diversity auf der Agenda.

In Hamburg diskutierten nun Topmanagerinnen und Männer aus Chefetagen darüber, wie das Problem behoben werden kann. Doch die Lösungsansätze sind unterschiedlich. Während vor allem Frauen als letztes Mittel die Einführung einer Quote für das Management fordern, lehnt diese Maßnahme das Gros der männlichen Führungskräfte ab. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren eine freiwillige Selbstverpflichtung der Firmen keine Veränderung brachte. So stemmt sich die Mehrheit der DAX-Unternehmen weiter gegen eine Frauenquote. Auch die großen Hamburger Arbeitgeber halten nichts von gesetzlich verpflichtenden Frauenanteilen in Führungsetagen, obgleich die meisten ihren Frauenanteil in den Betrieben erhöhen wollen.

Für Walter Scheurle, Jahrgang 1952 und Personalvorstand der Deutschen Post, ist es nur eine Frage der Zeit, wann Frauen vermehrt die Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft erreichen. "Durch die Managergeneration, die in den Unternehmen nachgewachsen ist, entsteht ein kultureller Wandel", sagte Scheurle, der extra wegen der "enormen Wichtigkeit" des Frauenthemas nach Hamburg gereist sei, wie er sagte. Der gute Wille der Vorstände, gepaart mit Mentoringprogrammen und Maßnahmen zur Erleichterung des Spagats zwischen Familie und Karriere würde Frauen den Weg an die Unternehmensspitze erleichtern, hoffen Scheurle wie auch Vertreter anderer Unternehmen.

Doch die Post geht noch weiter. In einem Pilotprojekt testet das Unternehmen bei der Nachwuchsgewinnung seit Januar sogenannte anonyme Bewerbungen. Wer sich für eine Stelle interessiert, muss in einer ersten schriftlichen Bewerbung weder ein Foto beilegen noch Alter, Nationalität oder Geschlecht preisgeben. "So können wir verhindern, dass schon beim ersten Durchsehen der Schreiben Menschen wegen bestimmter Merkmale aussortiert werden", so Scheurle. Erste Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

"Wer nur an die Hälfte denkt, ist am Ende nur halb so gut", sagte Cornelia Hulla, seit 2006 Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin bei Coca-Cola Erfrischungsgetränke in Deutschland. Ob Frauen vermehrt in Top-Etagen gehörten, sei keine Frage von farbiger oder schöner. Es gehe darum, gesellschaftliche Investitionen in die Ausbildung nicht zu verschwenden. Schließlich würden viele Frauen studieren, und deshalb sei es wenig sinnvoll, sie nicht in Chefetagen zu positionieren.

"Diese paradoxe Haltung kann meines Erachtens nur dadurch erklärt werden, dass es an einem wirklichen Willen, sowohl auf der gesellschaftlichen Ebene als auch in den Unternehmen, fehlt, diese Situation nachhaltig, schnell und gründlich zu ändern", so die Managerin, die längst in einer der Top-Etagen der deutschen Wirtschaft sitzt. "Diese Verschwendung können wir uns eigentlich schon gar nicht mehr leisten." Und auch mit Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland zähle in den kommenden Jahren jede Arbeitskraft. "Seit dem Ende des Babybooms liegt hierzulande die Reproduktionsrate deutlich unterhalb der Erhaltungsschwelle", warnt Hulla und spricht sich für ein ausreichendes Netz an Kindertagesstätten, vorschulischer und schulischer Betreuung aus.

Schnelle Lösungen hat auf dem Hamburger Kongress keiner der Teilnehmer erwartet. Aber der Dialog wurde gestartet, und es werden vermutlich weitere Treffen folgen. Denn es gebe noch dicke Bretter zu bohren, hieß es von den Teilnehmern. Und das, obwohl die Diskussion um die Rolle von Frauen in der Führungsspitze laut Hulla bundesweit seit 40 Jahren geführt wird.