Beim Streit um die künftige Hafenstrategie prallen Reformer und Bewahrer aufeinander

Hamburg. Es kommt selten vor, dass ein Hamburger Wirtschaftssenator den Chef des wichtigsten städtischen Unternehmens öffentlich demontiert. Am Donnerstagabend tat Ian Karan (parteilos) genau dies: Vor der versammelten Hafenwirtschaft übte der scheidende Präses der Behörde für Wirtschaft und Arbeit harsche Kritik am - allerdings abwesenden - HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters, der auch Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) ist: "Herr Peters hat dem Hafen, den Unternehmen und der ganzen Stadt einen Bärendienst erwiesen." Die HHLA, Hamburgs größtes Hafenunternehmen, gehört zu zwei Dritteln der Stadt. Die Schelte wirkte spektakulär, doch der Konflikt geht weit über persönliche Differenzen hinaus. Im Hintergrund schwelt ein Machtkampf um die Zukunft des Hafens.

Karan erregte sich im Hafen-Klub über die Kritik des UVHH am aktuellen Hafenentwicklungsplan. In einer Stellungnahme, die vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte der Verband zentrale Punkte des Entwurfs zurückgewiesen. Das kommt einer Endabrechnung mit der Hafenpolitik der CDU-geführten Senate gleich. Regelmäßig waren Hafenwirtschaft und Stadtregierung in den vergangenen Jahren bei grundlegenden Fragen aneinandergeraten. Großen Krach verursachte etwa der Plan des Senats, dass der Hafen die Kosten für die Entwicklung seiner Infrastruktur künftig allein und ohne städtische Mittel einspielen solle. Das Konzept "Hafen finanziert Hafen" ist inzwischen gescheitert.

Dass der Streit um die Entwicklung des Hafens gerade jetzt eskaliert, hängt mit den vorgezogenen Neuwahlen zur Hamburger Bürgerschaft am 20. Februar zusammen. Sie wurden nötig, nachdem die Koalition aus CDU und GAL im Herbst gescheitert war. Nach rund zehn Jahren CDU-Regierung wird allen Umfragen zufolge vom Frühjahr an wieder die SPD im Rathaus das Sagen haben. Bis zum Jahr 2001 hatten die Sozialdemokraten ohne Unterbrechung mehr als vier Jahrzehnte lang die Hamburger Stadtpolitik bestimmt und dabei auch die Gestalt des Hafens geprägt.

Die Bürgerschaftswahl fällt in eine Zeit, in der die Akteure des Hafens um die künftige Ausrichtung ringen. Der Streit um den Hafenentwicklungsplan zeigt im Kern einen Konflikt zwischen Modernisierern und Bewahrern. Zur Disposition steht, dass Investoren aus dem Ausland Zugang zum Güterumschlag im Hamburger Hafen bekommen könnten, wenn das künftige Terminal Steinwerder geplant und ausgeschrieben wird. Seit der Einführung des Containers Ende der 60er-Jahre hatten die Hamburger Unternehmen HHLA, Eurokai und Buss dieses Geschäft unter sich ausgemacht. Offen ist zudem, wie viel Einfluss die städtische Hafenverwaltung Port Authority künftig bei der Gestaltung des Hafens haben soll.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di stellte sich am Freitag hinter HHLA-Chef Peters und wies die Äußerungen von Wirtschaftssenator Karan zurück. "Senator Karan sollte sich der berechtigten Kritik stellen, anstatt die Kritiker anzugreifen", sagte Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Der Gewerkschafter lehnt eine stärkere Port Authority ebenso ab wie einen größeren Einfluss der EU-Kommission auf die Gestaltung von Mietverträgen für Hafenunternehmen in Hamburg. Besonderen Argwohn aber erregt bei den Arbeitnehmern die Vorstellung, dass ausländische Hafenunternehmen in Hamburg Anker werfen könnten, etwa staatlich gesteuerte Konzerne aus China oder Arabien. "Der Hafen ist die Lebensader Hamburgs", sagte Rose. "Er muss vor einem Ausverkauf an ausländische Großinvestoren geschützt werden."

Der Schulterschluss von HHLA und Ver.di war bereits 2007 sehr effektiv: Massiver Druck der gewerkschaftlich gut organisierten HHLA-Belegschaft verhinderte damals den vom CDU-Senat favorisierten Einstieg eines Großinvestors. Bei der Teilprivatisierung des städtischen Konzerns gingen letztlich rund ein Drittel der HHLA-Anteile an die Börse - ohne allzu viel Verlust an Einfluss für Vorstand und Belegschaft.

Für mehr Aufbruch im Hafen warben am Freitag die Grünen. "Die Interessen von Ver.di und HHLA sind nicht identisch mit denen des Hamburger Hafens insgesamt", sagte Jens Kerstan, Vorsitzender der GAL-Fraktion in der Bürgerschaft. "Wir unterstützen die Grundzüge des neuen Hafenentwicklungsplans. Ohne neue Ideen und Strategien verliert Hamburg den Anschluss." Kerstan hält eine Stärkung der Port Authority für sinnvoll. Auch eine Beteiligung neuer Investoren am Güterumschlag in Hamburg sei wünschenswert: "Mehr Wettbewerb kann dem Hafen nur guttun."

Frank Horch (parteilos), der im Wahlkampfteam der SPD für das Amt des Wirtschaftssenators kandidiert, gab sich am Freitag diplomatisch: "Das Papier des UVHH kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Formulierungen sind in ihrer Schärfe unangemessen", sagte er dem Abendblatt. "Der aktuelle Streit verunsichert Kunden und Wettbewerber und ist für den Hafen nicht gedeihlich." Der frühere Präses der Handelskammer machte deutlich, worauf es ihm bei der künftigen Hafenpolitik ankommt: "Ich bin gegen Protektionismus im Hafen. Das können wir uns als weltoffene Stadt in Zeiten der Globalisierung nicht erlauben. Ich kann mir auch chinesische Unternehmen als Partner für neue Anlagen im Hamburger Hafen vorstellen. Allerdings nur in Form einer Minderheitsbeteiligung."