Betrugsversuche werden in jeder zweiten norddeutschen Behörde registriert. Versuche eher von Firmen als von einzelnen Bürgern.

Hamburg. So ungeschickt läuft ein Bestechungsversuch wohl nur selten ab: Nachdem sein Antrag auf eine Liegegenehmigung für sein Boot schon mehrfach abgewiesen wurde, schickte der Bürger einer norddeutschen Kleinstadt dem zuständigem Beamten kurzerhand eine E-Mail, in der er ihm 1000 Euro für die Erteilung der Erlaubnis anbot. Dass der Beamte den Bootsbesitzer anzeigte, dürfte unter diesen Umständen kaum überraschen. Doch längst nicht immer geht es so aus, wenn Staatsbedienstete in Versuchung geführt werden.

So gab es in den vorigen beiden Jahren in 49 Prozent der Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen mindestens eine nachgewiesene Straftat oder einen konkreten Verdacht auf kriminelle Handlungen. Vorteilsannahme (33 Prozent der Fälle) führt die Liste der Straftatbestände an, gefolgt von Vermögensdelikten (31 Prozent) wie etwa Unterschlagung, dahinter rangieren wettbewerbswidrige Absprachen (14 Prozent). Dies ergab eine Studie von TNS Emnid im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Gut jede fünfte Behörde sieht sich nach Erkenntnissen von PwC sogar häufiger Korruptionsversuchen von Unternehmen oder auch Privatpersonen ausgesetzt, wobei die Versuche eher von Firmen als von einzelnen Bürgern ausgehen. Andererseits leiden die Betriebe ihrerseits stärker unter Kriminalität als die Behörden: Einer früheren PwC-Studie zufolge gaben 64 Prozent der norddeutschen Großunternehmen (die mehr als 500 Beschäftigte haben) an, in den zurückliegenden zwei Jahren Opfer von Wirtschaftsstraftaten geworden zu sein.

Noch deutlich größer ist der Unterschied bei der Schadenshöhe. Während PwC den finanziellen Schaden für die Behörden bundesweit auf deutlich mehr als zwei Milliarden Euro im Jahr veranschlagt, entstehe den deutschen Unternehmen jährlich ein Schaden von rund sechs Milliarden Euro.

Allerdings kommen gravierende indirekte Folgen hinzu, die sich nicht beziffern lassen. "Die Frage: 'Was kostet es uns, wenn wir unseren Beamten nicht trauen?' kann man schwer beantworten", sagt dazu PwC-Partner Steffen Salvenmoser. Fast jeder zweite Korruptionsfall führte zu einem gravierenden Reputationsschaden für die betroffene Behörde und jeder dritte zu einem erheblichen politischen Druck.

Tatsächlich geben die Behörden in der Öffentlichkeit kein gutes Bild ab: Wie eine begleitende Umfrage unter Bürgern ergab, glauben 39 Prozent der Norddeutschen, dass Korruption in der Verwaltung häufig oder sogar sehr häufig vorkommt. Dies sei ein bedenkliches Resultat, meint Salvenmoser: "Je weniger die Bürger davon überzeugt sind, dass ihre Anliegen nach 'Recht und Gesetz' behandelt werden, desto größer ist auf Dauer die Neigung, Behördenentscheidungen anzufechten oder gar selbst Bestechungsgelder anzubieten."

Doch meinen immerhin auch 24 Prozent der Behördenleiter, dass Vorteilsannahme und/oder Bestechlichkeit in deutschen Ämtern häufig oder sehr häufig anzutreffen sind - während nur sieben Prozent dieser Befragten ein Risiko dafür in der eigenen Behörde sehen. "Diese Unterschätzung des eigenen Risikos begünstigt die Vernachlässigung von Kontroll- und Vorsorgemaßnahmen", sagt der PwC-Experte.

Damit steht es gerade in den norddeutschen Behörden ohnehin nicht zum Besten. So haben nur 53 Prozent von ihnen einen Korruptionsbeauftragten, bundesweit sind es 56 Prozent. Und nur in 65 Prozent der Ämter im Norden werden korruptionsgefährdete Vorgänge stichprobenartig überprüft, im gesamten Bundesgebiet tun dies 74 Prozent der Behörden.

So überrascht es nicht, dass gut zwei Drittel der Delikte eher zufällig aufgedeckt wurden - durch interne und externe Tippgeber. Selbst dieses Potenzial wird nicht so wirksam ausgeschöpft, wie es möglich wäre: "Hinweisgebersysteme sind nur bei gut einem Viertel der Behörden vorhanden", erklärt Salvenmoser.

Dabei gibt es nach seiner Einschätzung relativ einfache Methoden, das Risiko zu senken, zum Beispiel durch Personalrotation. Denn die internen Straftäter in norddeutschen Behörden waren zum Zeitpunkt der Tat seit durchschnittlich 13 Jahren auf ihrer Position. (abendblatt.de)