Beluga-Chef Niels Stolberg fordert mehrere Schiffe mit Sicherheitspersonal vor der afrikanischen Küste. Kritik an Nato und EU

Hamburg/Bremen. Er sorgt sich um seine zwölfköpfige Besatzung, die in der Gewalt von Piraten ist, und er denkt darüber nach, wie Seeleute künftig besser geschützt werden können. Das Abendblatt sprach mit Niels Stolberg, dem Chef der Bremer Reederei Beluga, deren Frachter "Beluga Nomination" am Wochenende entführt wurde.

Hamburger Abendblatt: Herr Stolberg, wie fühlen Sie sich nach der Entführung Ihres Frachters "Beluga Nomination"?

Niels Stolberg: Ich bin beunruhigt, weil wir keinen Kontakt zur Besatzung haben und auch keine Informationen über die Piraten an Bord. Wir wissen nur, dass das Schiff Richtung Somalia fährt.

Akzeptieren Sie die Erklärung der Bundeswehr, dass die Fregatte "Hamburg" nicht eingreifen konnte, weil sie zu weit entfernt war?

Stolberg: Um Akzeptanz geht es hier nicht. Unsere Kollegen an Bord haben zweieinhalb Tage im Sicherheitsraum ausgeharrt und sind mit 13 Knoten weiter in Richtung der Seychellen gefahren. Die Nato, die EU oder auch die Beteiligten an der Mission Atalanta hätten ausgebildete Militärspezialisten auf die Hauptinsel der Seychellen bringen können, die dann mit einem Hubschrauber zu dem Frachter hätten starten können. Zeit war genug und die Regierung der Seychellen hat uns wirksam unterstützt und ein Patrouillenboot in Richtung der "Beluga Nomination" geschickt.

Bedeutet das Eindringen in den Sicherheitsraum des Schiffes eine neue Dimension beim Vorgehen der Piraten?

Stolberg: Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Piraten professioneller, organisierter und vor allem aggressiver und gewaltbereiter sind als jemals zuvor. Dank erhaltener Lösegelder rüsten sie vor allem bei ihrer Ausstattung auf. Immerhin ist es ihnen hier gelungen, das Hauptdeck aufzuschweißen und die Crew gefangen zu nehmen.

Welche Konsequenzen gibt es jetzt für die Reederei Beluga?

Stolberg: Wir haben aktuell drei Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung geleitet, um den Weg durch das Piratengebiet zu vermeiden. Wir werden jetzt intensiv die Optionen für den Einsatz von Sicherheitskräften prüfen. Gehandelt werden muss jetzt. Wir brauchen dringend Entscheidungen von der Bundesregierung. Schließlich geht es hier um den Schutz von Menschenleben.

Wie teuer ist der Einsatz von privaten Wachleuten an Bord?

Stolberg: Für sieben bis neun Tage an Bord werden für eine Gruppe von drei bis vier Sicherheitskräften etwa 60 000 bis 100 000 Dollar verlangt.

Wie sollte künftig gegen die Piraten vorgegangen werden?

Stolberg: Wir haben schon Ende des Jahres vorgeschlagen, ein neues Konzept voranzutreiben. Dabei sollen drei Schiffe für gut ausgebildetes Sicherheitspersonal positioniert werden. Eines im Roten Meer, eines südlich von Sri Lanka und eines nördlich der Seychellen. Von diesen stationierten Schiffen steigen hoheitliche Kräfte auf gefährdete Handelsschiffe und begleiten diese, bevor sie am jeweils anderen Ende des Risikogebiets wieder aussteigen. Der Verband Deutscher Reeder unterstützt diesen Vorschlag, der das Lotsenversetzsystem zum Vorbild hat, und auch das Verteidigungsministerium will ihn prüfen. Natürlich würden sich die Reeder an den Kosten beteiligen.

Welches Sicherheitspersonal würden Sie bevorzugen?

Stolberg: Wir brauchen professionelles und qualifiziertes Sicherheitspersonal. Grundsätzlich kommen also in erster Linie Bundespolizisten oder aber auch Soldaten der Marine infrage. Auf Schiffen unter deutscher Flagge sollten meines Erachtens daher bestenfalls bewaffnete Sicherheitskräfte des Bundes zum Schutz eingesetzt werden. Fährt ein Schiff unter einer anderen als der deutschen Flagge, ließe sich ja gemeinsam mit anderen Staaten eine ähnliche Lösung finden. Wir sind als Reeder gerne bereit, uns an den entstehenden Kosten für ein solches Vorhaben zu beteiligen.

Würden Sie bei einer solchen Lösung mehr Schiffe unter die deutsche Flagge stellen?

Stolberg: Aktuell fahren zwölf Beluga-Schiffe unserer Flotte unter deutscher Flagge. Wenn wir den Schutz von Polizei oder Marine-Soldaten an Bord bekommen könnten, wäre das ein überzeugendes Argument, um auch mit weiteren Einheiten zur deutschen Flagge zu wechseln.